19/1  Der Rechtsweg

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:22

Mit fassungsloser Verwunderung beobachte ich die Szene. Fast täglich wird ein neuer „Fall“ publik, in dem selbsternannte Tugendwächter jemand anderen vor den Kadi schleifen, um ihn oder noch besser die ganze Gesellschaft zur Räson zu bringen.

Altgediente Humoristen werden plötzlich mit Rassismus-Vorwürfen eingedeckt, von  Leuten, deren Ego offenbar grösser ist als ihre Bedeutung und die überzeugt sind, selber den absoluten Humor gepachtet zu haben. Und den besten aller guten Geschmäcker noch obendrein, denn sie klagen locker noch grad gegen das Fernsehen als Ganzes und jammern dazu, dieses sei so grottenschlecht, dass sie es als persönliche Verunglimpfung empfinden würden, sich überhaupt nur damit befassen zu müssen…

Dünkel, Einbildung und Dummheit wachsen auf dem gleichen Holz. Wie sonst würden sie sich dermassen leichtfertig der Rassismus-Keule bedienen, die doch für ganz andere Themen und andere Zwecke geschaffen wurde?

Wenn ein redlicher Diskurs nicht mehr möglich ist, bleibt als letzte Lösung der Rechtsweg zur Klärung von Differenzen. Sofern eine klare Antwort überhaupt möglich ist. In Geschmacksfragen – und dazu gehört auch der Humor – ist das bekanntlich heikel, dies wussten schon die alten Römer. Und wenn jemand vor Gericht „Recht bekommen“ hat, muss das noch nicht heissen, dass er auch Recht gehabt hat.

Beim Lesen der Berichte über diesen absurden Rechts-Streit in Humordingen ist mir immer wieder die Frage durch den Kopf gegangen, wie es wohl wäre, wenn wir jedes Mal den Rechtsweg beschreiten und Klage erheben würden, sobald jemand sich zu einer herabwürdigen Äusserung, einem primitiven Vergleich oder einem dummen Vorurteil gegenüber dicken, übergewichtigen Menschen hinreissen lässt!? Wenn eine Diskriminierung im Alltag manifest wird, ohne dass jemand sich für die Betroffenen zur Wehr setzt…

Der Rechtsweg wäre der falsche Weg. Das Rechtsmittel würde sich abnützen, würde zur stumpfen Waffe, die keiner mehr zu fürchten braucht. Diffamierung ist kein Straftatbestand, üble Nachrede vielleicht, aber wem würde das helfen? Was wir brauchen, ist Toleranz. Und die setzt eine gewisse Grösse voraus.