25/1  Übertrieben

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:34

Was soll man denn davon halten. Vertreter des Britischen National Obesity Forum NOF haben in einem Interview eingestanden, dass sie bezüglich der Entwicklung der Adipositas-Epidemie in England übertrieben hätten. Sie hätten ihre Warnungen mehr auf Schätzungen und episodische Einzelberichte abgestützt als auf wissenschaftlich erhärtete Fakten. Es sei ihnen vor allem darum gegangen, das öffentliche Bewusstsein wachzurütteln.

Und wie steht es hierzulande? Bei solchen Aussagen fühle ich mich ans Waldsterben erinnert: damals wurde die düstere Zukunft einer baumlosen, kahlen Schweiz in plastischen Schilderungen beschworen, und heute geht es dem Wald offenbar besser als je. Aber vielleicht war die drastische Übertreibung nötig, um Massnahmen zum Schutz der Umwelt einzuleiten, ohne die der Wald heute weniger gut dastehen würde.

Bei Übergewicht und Adipositas haben wir dieses Problem eigentlich nicht, denn die Zahlen, die in den Gesundheitsberichten publiziert werden und die wir jeweils zu kommentieren aufgerufen sind, liegen nach wie vor wahrscheinlich tiefer als die effektiven Werte, denn nach wie vor werden sie nicht exakt gemessen sondern beruhen auf einer Selbstdeklaration der befragten Bevölkerung.

Zudem ist es eine alte Erkenntnis des Fundraisings für Hilfswerke und Gesundheits-Organisationen, dass nur Geld machen kann, wer mit drastischen und emotionalen Mitteln um den Spenderfranken bettelt. Nicht umsonst boomt im Spenden-Marketing die Verwendung von Kinder-Bildern. Für unschuldig leidende Kleine wird gern gegeben, wenn sie ein schweres Schicksal zu erdulden haben. Selbst Organisationen, die selber kaum Projekte für Kinder anbieten, bedienen sich der rührseligen Clichés. Und noch viel effektiver ist das Sammeln für Tiere…

Sollen wir also die Übertreibungen der besorgten Organisationen verurteilen? Oder heiligt der Zweck letztlich ein Stück weit die Mittel? Ich habe vor Jahren in Kalkutta Frauen gesehen, die mit verstümmelten Kindern im Arm gebettelt haben… und man sagte uns, diese Verletzungen seien den Kleinen absichtlich zugefügt worden um Mitleid zu schüren. Hier hört dann jedes Verständnis auf.