8/4  Sinn-voll essen

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 17:13

Das Auge isst mit. Ein alter Spruch, banal, aber wirksam: eine perfekt angerichtete und hübsch präsentierte Mahlzeit schmeckt gleich viel besser. Und denken wir nur an die vielen leuchtend bunten Früchte auf allen Arten von Verpackungen, in denen dann vielleicht in Wirklichkeit 1,5 Prozent eines künstlich erzeugten Fruchtfleisch-Ersatzes zu finden sind.

Dass zu einem guten Essen auch ein ansprechender, appetiterweckender Duft beitragen kann, ist ebenso bekannt wie die Tatsache, dass es dann auf den Geschmack ankommt, ob wir an einer Speise Gefallen finden oder gar süchtig werden danach und sie immer wieder aus dem Regal greifen.

Aber das sind nur drei der fünf Sinne, welche die Wahrnehmung des Menschen prägen und beeinflussen. In letzter Zeit hat die Konsumwirtschaft weltweit die Bedeutung des multisensualen Marketings erkannt… denken wir etwa an die Automobilindustrie, die neben aller technologischen Innovation auch immer darauf achtet, dass es im Fahrzeug „nach Leder“ riecht, dass der Motor den gerade richtigen Sound erzeugt, der sportliche FahrerInnen anspricht und dass das Armaturenbrett eine reine Freude zum Anfassen ist.

Nun komme diese „multisensuale“ Erlebniswelt mit aller Macht per Marketing auch auf unseren Umgang mit Lebensmitteln zu. Das jedenfalls war die Botschaft von Professor Charles Spence anlässlich einer Tagung in Cannes vom 2. April: Noch in diesem Jahr werden zahlreiche Produkte auf den Food-Markt kommen, die über Präsentation und Inhalt sämtliche Sinne der Konsumenten ansprechen und berühren wollen. Optisch lockt die Verpackung noch stärker als bisher, betörende Gerüche sollen beim Öffnen der Umhüllung verströmen, durch intensive Geschmackserlebnisse – immer raffiniertere Aroma-Kombinationen – soll der Gaumen gekitzelt werden, durch bestimmte Klang-Bilder soll ein bleibender Eindruck von Frische entstehen (etwa das durch Zusatzstoffe forcierte Knistern der Frühstücke-Cerealien, oder mittels besonderer Apps, die während des Essens eine verführerische, appetitliche Hintergrundmusik liefern), und schliesslich soll der Tastsinn durch die Beschaffenheit der Nahrungsmittel extra intensiv mobilisiert werden…

Ob uns etwas „gut“ dünkt oder nicht, das liegt nicht mehr in unserem ganz persönlichen Ermessen, das wird uns minuziös durch die Produzeten eingeträufelt, in der genau richtigen Dosierung, dass wir die Wirkung verspüren, nicht aber die Absicht.

Denn die ist ja nicht darauf ausgerichtet, uns zu motivieren, dass wir uns ausgewogen, gesund und vernünftig ernähren… sondern die hat einzig und allein den Zweck, sich im Konkurrenzkampf der Anbieter das grössere Stück vom Kuchen abzuschneiden – auch wenn dieser einen etwas bitteren Nachgeschmack hat.