2/6  In memoriam M. U.

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 17:45

Letzten Montag ist er verstorben. Die Meldung ging um die Welt. Ob und wo und welche Betroffenheit sie ausgelöst hat, ist nicht bekannt. Manuel Uribe war lange Zeit bekannt als der „dickste Mensch der Welt“. Mit einem Gewicht von gegen 600 Kilo sprengte er alle Masse der Vorstellung und stellte eine permanente Herausforderung dar für die Adipositas-Medizin.

Versuche, sein Gewicht zu reduzieren, hatten zwar Erfolg, blieben aber immer begrenzt. Um 200 Kilo konnte er zuletzt abspecken… aber dieser gewaltige „Umbau“ seines massiven Körpers stellte gleichzeitig eine zu grose Belastung vor allem für das Herz dar. Er verschied mit 48 Jahren gewissermassen beim Abnehmen.

Berichte und Filmdokumentationen waren immer wieder zu lesen und zu sehen und erfüllten den Betrachter mit einer Mischung aus Mitleid und Entsetzen: wie konnte es überhaupt so weit kommen? War denn niemand da, der ihm in jungen Jahren beigestanden wäre? Ihn zu einem früheren Zeitpunkt, in einem früheren Stadium zur Gewichtsreduktion und zu einem Wandel des Lebensstils hätte ermutigen und dabei unterstützen können? Wo gab es eine Grenze, einen „point of no return“, von dem an es ihm praktisch nicht mehr möglich war, sein Gewicht in den Griff zu bekommen?

Es wird berichtet, dass er bis zuletzt vom Wunsch beseelt gewesen sei, einmal wieder gehen zu können… dafür hätte er nochmals 250 Kilo abnehmen müssen, ein aussichtsloses Unterfangen angesichts der organischen Schädigungen, die bereits eingetreten waren…

Manuel Uribe mochte eine besondere Wirkung und Funktion haben: ein abschreckendes Beispiel dafür, in welchem Masse ein gestörter Stoffwechsel einen Körper belasten kann, aber auch in gewissem Sinne eine moralische „Entlastung“ für all jene, die ebenfalls zu dick, aber doch nicht sooo dick waren: eine immense Projektionsfläche für Urteile und Vorurteile, die im heuchlerischen Mäntelchen der Anteilnahme doch zur pharisäerhaften Überheblichkeit führte, dass man froh war, „nicht so zu sein“ wie er.

Jetzt hat er seine irdische Schwere hinter sich gelassen. Es ist anzunehmen, dass seine Seele mit unsterblicher Leichtigkeit in jene ewige Dimension geglitten ist, in der auch die Dicken und Mühseligen wieder leichtfüssig über Blumenwiesen tanzen können, ohne den Ballast zu spüren, der sie einen Teil ihres Lebens lang nach unten gezogen hat. Machs gut, Manuel!