15/6  Die Bortoluzzi-Falle

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 16:16

Er ist voll in den Fettnapf getappt. Der biedere SVP-Schreinermeister, der es gewagt hat, mit saloppen Worten etwas auszusprechen, was wohl viele seiner Gesinnungsleute insgeheim denken, aber nicht laut sagen mögen, weil sich das heute nicht mehr gehört.

Damit ist Toni Bortoluzzi stellvertretend zur Verkörperung einer Tatsache geworden, die aufgeklärte Menschen lieber nicht wahr haben möchten: dass es mit der vielgerühmten Toleranz und der gesellschaftlichen Weltoffenheit wohl insgesamt doch weniger weit her ist, als es uns lieb wäre.

Dies darf keine Entschuldigung sein für Bortoluzzis abstruse Lehre von den „verkehrt laufenden Hirnlappen“ und für seine pauschale Verunglimpfung sämtlicher Singles – aber was mir bei Durchsicht der zahlreichen Shitstorm-Beschimpfungen aufgefallen ist, das ist doch die Tatsache, dass viele seiner Kritiker selber in eine Fettnapf-Falle geraten sind.

Sie halten Bortoluzzi in mehr oder weniger unverblümten Formulierungen sinngemäss vor, er habe sich nicht herablassend über irgendwelche Minderheiten zu äussern, da er ja selber der verabscheuungswürdigen Minderheit der Fettleibigen angehöre! – Toleranz für die einen wird lautstark eingefordert, für andere darf es sie aber im Gegenzug nicht geben.

Was für eine Logik der reziproken Schuldzuweisung ist denn das? Weil einer Gewichtsprobleme hat, darf er sich nicht über andere – wie abstrus auch immer – äussern? Soll er doch sagen dürfen, was er will und wie er es will, solange er bereit ist, die Kritik, die auf ihn einprasselt, auszuhalten. (Und das ist er offenbar, da er von seinen Ansichten auch bei näherer Befragung keinen Millimeter abweicht.) Aber ihm wegen seines Körpergewichts das Recht auf eine eigene Meinung absprechen zu wollen, das ist – vorsichtig gesagt – heuchlerisch. Wer so argumentiert, ist kein Jota besser als der, über den er sich aufregt.