27/9  Faulenzen

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 20:40

Was lässt sich sagen zu einem Tag voll Nichtstun. Nicht viel. Meine drei Zimmerkumpanen haben übers Wochenende Urlaub genommen. Ich bewohne jetzt die Vierbettensuite allein und kann den Fernseher an der Decke so laut stellen wie ich will. Im Speisesaal waren wir am Mittag etwa zu fünft und genossen die vollste Aufmerksamkeit des Servicepersonals.

Punkto Essen habe ich mich nun doch entschieden für die Variante „Wellness“ – so heisst die Diätkost – und zwar 50%, also nur die je halbe Portion. Schliesslich wäre es ja doch gut, wenn bis Ende nächster Woche noch mindestens ein weiteres Kilo herunter käme, rein symbolisch und von wegen der Motivation.

Die Nachtruhe hat der Muskulatur gut getan, der Weg ins Schwimmbad war heute Morgen fast problemlos, ich bin sozusagen stolz auf mich, dass es mir gelingt, von Tag zu Tag grössere Abschnitte am Stück zurückzulegen, ehe ich mich für eine Verschnaufpause hinsetzen muss…

Normalerweise führt mich der Weg vom Zimmertrakt im Untergeschoss – das nur so heisst, in Wirklichkeit aber nach hinten hinaus ebenerdig liegt, weil die Klinik am Hang gebaut ist – durch verwinkelte Gänge zu den Therapie-Räumen. Den Wänden entlang laufen Haltestangen, auf die ich mich stützen kann, und in jeder Abzweigung steht eine Sitzgruppe, die zum Verweilen einlädt.

Bei normalem Gehtempo wäre die Strecke in zwei Minuten zu bewältigen, ich benötig mit Zwischenhalten rund zehn Minuten, sitze dann da und sehe, wie meine MitpatientInnen in Rollstühlen vorbeirauschen, sich an Krücken der Wand entlang schwingen, dazwischen die flinken Schritte des Personals in seiner adretten Klinik-Kleidung weiss-blau…

Höflichkeit wird gross geschrieben. Bei jeder Begegnung wird gegenseitig gegrüsst, egal wie oft man sich im Lauf des Tages kreuzt. Man wird zu einer verschworenen Gemeinschaft, man ist aufeinander angewiesen. Heute habe ich allerdings den Rückweg über das Erdgeschoss gewählt und bin dabei am Kiosk im Empfangsbereich vorbei gekommen. Meine Güte! Was da alles feilgeboten wird an Leckereien, Schokolade, Backwerk, Getränken in Flaschen und Dosen…

Nie mehr, rufe ich mir sofort zu, nie mehr diesen Weg an der Versuchung vorbei! Sonst bringt die ganze Wellness-Diätkost nichts. Ein Glück nur, habe ich meine Brieftasche und all mein Geld im Tresor bei der Reception versiegeln und einschliessen lassen!