10/11  Fleischeslust und -frust

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 13:52

Alles andere sei Beilage. Sagt die Werbung, die mit staatlichen Fördergeldern nicht zu knapp unterstützt wird. Immerhin, die Rede ist von „Schweizer Fleisch“. Und nun kommt die Eidgenössische Ernährungskommission und veröffentlicht einen Bericht, in dem sie Materialien aus empirischen Studien auswertet, die eine deutliche Sprache sprechen: der regelmässige Konsum von sogenannt „rotem“ Fleisch ist häufiger mit dem Auftreten bestimmter Krankheitsbilder (wie Herzkreislauf-Störungen, Krebs, Schlaganfall) verbunden als der Konsum von „weissem“ Fleisch.

Diese Erkenntnis überrascht eigentlich nicht, denn das ist eine der ersten Empfehlungen bei fast jedem Konzept zur Gewichtsreduktion (mit Ausnahme der „alten“ Atkins-Diät, die aber inzwischen auch angepasst wurde): möglichst nur weisses Fleisch vom Poulet oder dem Truthahn, und Fisch (von wegen Omega 3)! Und keine Wurstwaren und Charcuterie.

Der Wert des Fleisches als Protein-Quelle in der Ernährung ist grundsätzlich unbestritten, und doch nimmt die Zahl derer, die auf den Fleischkonsum ganz oder weitgehend verzichten, stetig zu, vor allem unter den Jungen. Es ist zudem das erste Mal, dass das oberste Expertengremium in Sachen Ernährung sich so deutlich dafür ausspricht, dass das BLV – das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen – eine Empfehlung für den gemässigten Verzehr von „rotem“ Fleisch herausgeben solle.

Kein Wunder, dass die organisierten Fleisch-Promotoren sofort zum Gegenangriff blasen und die wissenschaftliche Solidität des EEK-Berichtes in Zweifel zu ziehen versuchen, geht es doch um die wirtschaftliche Existenz einer Branche. 52 Kilo Fleisch vertilgen Herr und Frau Schweizer pro Jahr, also mehr als ein Kilo pro Woche! (Ich kann mich erinnern, dass in meiner Kinderzeit wenn es hoch kam einmal pro Woche Fleisch auf dem Teller war…)

Wir leben in einer widersprüchlichen Zeit: klagen über die Massentierhaltung, ohne die der hohe Fleischkonsum für Jedermann/frau gar nicht möglich wäre… sind erschüttert über die leergefischten Meere und vertilgen gleichzeitig immer mehr Fisch, weil der gesund ist… und liebäugeln heimlich – „nur so mal als Denkzettel“ – mit der fatalen Ecopop-Initiative… Was wollen wir denn eigentlich? Grashüpfer und Mehlwürmer wollen uns auch (noch) nicht so recht schmecken, obwohl sie einen idealen Eiweiss-Ersatz abgäben.

Irgendwann holt uns die Umwelt ein und wir haben gar keine Wahl mehr. Die Tage des Überflusses müssen gezählt sein.