29/3  Macht’s die Masse?

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 17:41

Wahrscheinlich war er gut gemeint. Der Versuch zur Rehabilitierung übergewichtiger DarstellerInnen durch unsere sonntägliche Bordstein-Postille. Unter der wenig originellen Überschrift „Dick im Geschäft“ wurde dargelegt, dass füllige Schauspieler am Fernsehen prominente und sympathische Rollen besetzen (Beispiele: Mike Müller, Rainer Hunold und Ottfried Fischer), während es an entsprechend massigen Schauspielerinnen weitgehend mangle. Weibliche Ausnahme: Bettina Stucky.

Ganz geheuer muss es der Redaktion mit dieser Auslegeordnung allerdings nicht gewesen sein, der Artikel ist jedenfalls in der Online-Ausgabe unter keinem Stichwort zu finden. Dass das Publikum nach darstellerischen Schwergewichten dürste, die es ins Herz schliessen könnte, ist leider noch nicht allgemein erhärtete Realität, obwohl es Anzeichen dafür gibt, dass auf den Laufstegen und im Showbizz langsam ein Umdenken stattfindet, was den Magerwahn bezüglich der Weiblichkeit betrifft.

Auf der Bühne war man es von früher her ja anders gewohnt: der dicke Falstaff ist der Prototyp des Unsympathen, des haltlosen Schlemmers und Wichtigtuers; bei den Damen hat die massive Sopranistin ein markantes Glaubwürdigkeitsproblem, wenn sie sich wegen angeblicher Schwindsucht arienlang in den Tod singen muss… und in den meisten internationalen TV-Sitcoms sind die Dicken die ungeliebten Tollpatsche und Pechvögel… oder weg mag schon die stets nur auf ihren Vorteil bedachte Haushälterin Berta in „Two and a half Men“?

Es ist richtig: „unser“ Mike Müller geniesst Sympathien, obwohl er sich offiziell von seinem Gewicht distanziert und nicht über die Kilos definiert werden möchte… Aber wir sind noch weit entfernt von einem „normalen“ Umgang mit Menschen in Film und Fernsehen, die das normale Mass – oder das, was dafür gehalten wird – hinter sich gelassen haben. Es bleibt noch viel zu tun.