18/10  Immer auf die Dicken

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 18:37

Wir sind mit ihm aufgewachsen. Wir haben mitgefiebert, wenn er auf dem schmalen, klapprigen Steg über die tiefe Schlucht balancieren musste. Wir haben die Geschichte unseren Kindern immer wieder erzählt und wir haben im Geiste mitgeschmaust, wenn es zum Abendessen nach dem erfüllten Tag als kulinarischen Höhepunkt Marroni mit Schlagrahm gab. Und wir werden das einzigartige Bilderbuch auch unseren Enkelinnen erzählen, wenn sie alt genug sind.

Heute habe ich den Film gesehen. Hollywood lässt grüssen, aber sehr adäquat. In eine wunderbare und eindrückliche Bilderflut gegossen, zeigt sich das verschneite Engadin von seiner besten Seite, kein Wunder, hat Swiss Tourismus sein Scherflein an Unterstütztung beigesteuert.

Die Geschichte, im Original ja in wenigen Minuten erzählt, wurde durch eine intrigenreiche Nebenhandlung erweitert, das Gute siegt am Schluss über das Böse und man erlebt sogar die Erfindung des Lawinenhundes durch sich selber…

Nein, es ist alles tadellos hergerichtet, die Kinder agieren natürlich, was nicht in jedem Schweizer Film der Fall ist, und die Erwachsenen sind hervorragend besetzt, echte Originale, dass es eine Freude ist.

Nur ein Wermutstropfen trübt das Wohlgefühl. Die Sache kommt nicht ohne Klischees aus, fast möchte man meinen, die Regie habe es darauf angelegt, diese besonders grosszügig zu bedienen. Eines dieser Klischees geht mir allerdings ziemlich auf den Senkel. Der fiese Gegenspieler des braven Bergbauernbubs mit der Zipfelmütze ist der Sohn des reichen Gemeindepräsidenten, und wie es sich in der Klischeewelt gehört, ist dieses verwöhnte und verzogene Bubi nicht nur dick, es hat auch rote Haare und eine Lücke zwischen den Vorderzähnen (auch wenn diese bloss geschminkt ist).

Das hätte nicht sein müssen, dass man den Spross des Dorfgewaltigen mit dem Stigma Übergewicht zeichnet, denn wenn er am Schluss von den andern gehänselt und ausgelacht wird, mischt sich ein bitterer Nebengeschmack in den Triumph des Guten. Sonst aber ist Schellen-Ursli Spitze.