23/10  Am digitalen Gängelband

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 17:32

Da bin ich kürzlich auf eine Website gestossen. Sie nennt sich „Smart Mama – digitale Foodberatung morgen“ und wird vom Gottlieb Duttweiler Institut präsentiert. Kurz gesagt geht es darum, dass Bestrebungen im Gange sind, uns in wohl nicht allzu ferner Zukunft mit einem ausgeklügelten Angebot von digitalen Ratschlägen und Empfehlungen so zu umsorgen, dass wir uns in jeder Lebenslage optimal verhalten können…

Die persönlichen Daten zu unserem körperlichen Wohlergehen werden laufend durch Sensoren erfasst, in irgendwelche Clouds gesendet, dort verwaltet, kontrolliert, überwacht (und nebenbei natürlich werbetechnisch ausgewertet), so dass zeitgerecht Anweisungen in Form von zweckdienlichen Informationen an uns zurückgespielt werden, die uns in die Lage versetzen, immer genau das zu tun und zu veranlassen, was für uns richtig ist im Sinne eines optimalen Lebenswandels…

Das sind Perspektiven, von denen nicht einmal Aldous Huxley zu träumen wagte, als er Brave New World schrieb, jene Gesellschafts-Utopie, die man gelegentlich wieder einmal darauf hin lesen sollte, wie weit einzelne Visionen sich bereits schleichend realisiert haben.

„Smart Mama“ wird also künftig unsere permanente Ernährungsberatung sein, wird uns im richtigen Moment jene Lebensmittel zuführen, die wir gerade brauchen, um gesund zu sein. Was aber, wenn uns zufälligerweise nach etwas gelüsten sollte, das eigentlich ungesund wäre? Wird das digitale Mütterchen dann böse? Kann es uns mit einem pädagogischen Elektroschock bestrafen? Oder redet es uns ins Gewissen, mit einem ähnlich insistierenden Stimmchen wie die gute Susi aus dem Navi?

Und was, frage ich mich vor allem, geschieht bei einem Stromausfall? Sitzen wir dann alle in der datenmässigen Finsternis, wie Marionetten, deren Fäden gekappt worden sind, und wissen nicht mehr, was zu tun ist, was wir essen sollen? Und am Ende stürzen wir ins Elend ohne die permanente fürsorgliche Anleitung aus einer omnipräsenten Datenwolke heraus.

Was für eine absurde Vorstellung: weltweit sind Millionen von Menschen auf der Flucht und wissen nicht, wovon sie morgen leben sollen, verelenden ganze Landstriche, vom Krieg verwüstet, versinken Städte und Länder im Chaos und in Hungersnot… und wir übersättigte Westler leisten uns den Luxus, uns auch noch die Arbeit des Denkens und der persönlichen Fürsorge durch einen anonymen Daten-Moloch abnehmen zu lassen!