17/10  Heute kein Fleisch

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 18:20

Ich hatte einen Bekannten. Den grauste es bei der Vorstellung, dass das Steak, das – am Ende noch blutig – auf seinem Teller lag, von einem lebendigen Tier stammen könnte. Fleisch ass er nur in verarbeiteter Form und stellte sich dabei vor, die Cervelats würden auf speziellen Bäumen wachsen.

Immer wieder hört und liest man von Kindern, die plötzlich „vegetarisch werden“, wenn sie den Zusammenhang realisieren zwischen einem Tier, das sie ins Herz geschlossen haben, und dem Braten auf dem Teller. Damit mussten wir früher auf dem Bauernhof ganz pragmatisch umgehen lernen: man half, die kleinen Ferkel zur Welt zu bringen, man sah, wie sie grösser wurden, rosig und vergnügt, man fütterte sie, wenn sie heranwuchsen und man fuhr mit ihnen im Anhänger mit in die Schlachterei, wenn sie gross und fett genug geworden waren… Aber wenn dann die Würste, die Schinken und die Speckseiten fein ausgebeint zurück kamen und in der Salzkiste eingelegt oder in den Rauchfang gehängt wurden, dann war es Nahrung, die man mit Genuss verspeisen konnte.

Unsere urbane Lebensweise schafft zwar mehr Distanz zum Tier, aber gleichzeitig scheint sie die Lebewesen zu verklären: es entsteht das, was die Wissenschaft das „Fleischfresser-Paradox“ nennt. Viele Menschen essen zwar durchaus gerne Fleisch, möchten aber gleichzeitig den Tieren kein Leid zufügen. Ein Forscherteam der Universität in Oslo ist diesem Thema nachgegangen und hat untersucht, welchen Einfluss die Werbung mit oder ohne Tier-Bilder für Fleischprodukte auf das Kaufverhalten von Konsumenten hat. Dabei zeigte sich, dass Verpackungen, auf denen das ganze Tier abgebildet war, dazu führten, dass dieses Fleischstücke weniger oft gekauft wurden…

Die neutrale, quasi sterile Präsentation von Fleischwaren im Supermarkt lässt vergessen, woher die einzelnen Produkte stammen, anders als noch in der traditionellen Metzgerei, wo die Rinderhälften sichtbar präsentiert waren und der Schweinekopf im Schaufenster eine Zitrone im Maul hielt.

Je weiter ein Fleischprodukt „verarbeitet“ ist, umso leichter verkauft es sich heute am Markt, besagt die Studie. – Damit aber steht sie im Wiederspruch zum aktuellen Trend „Nose to Tail“, das heisst: vom Schnörrli bis zur Schwanzspitze soll das ganze Nutztier als Lebensmittel verwendet werden, inklusive der Innereien, die früher als Leckerbissen galten, und die heute in der industriellen Fleischwarenproduktion oft in der Abfallverwertung landen.

Wie auch immer: „eingefleischte“ (sorry für die Wortwahl!) Vegetarier und Veganer werden sich so oder so an ihre eigene Überzeugung halten, und das ist ihr gutes Recht, solange sie mich nicht zu missionieren versuchen.