4/6  Väterchen Staat wacht

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 11:18

Vor Gesundheitstalibans wird gerne gewarnt. Vor allem dann, wenn es darum geht, gesetzliche Pflöcke einzuschlagen, um einen Markt-Wildwuchs eindzuämmen, der ungesunde Auswirkungen haben könnte. Und nun habe ich unerwartet eine solche talibanmässige Abmahnung erhalten in Form eines eingeschriebenen Briefes, die mich ins Grübeln versetzt hat.

Dank der Anzahl Jahre, die sich auf meinem Buckel angesammelt haben, muss ich periodisch zum medizinischen Tauglichkeits-Check, damit ich weiterhin in meinem Wägelchen herumkutschieren kann. Bis anhin war das bei meinem alten Hausarzt keine grosse Sache: Blick auf die Tafel mit den verschieden grossen Es, einige Zahlen von links und von rechts geflüstert, fünf Schritte auf einer Linie am Boden – und das wars. Vom Amt kamen dann jeweils drei freundliche Zeilen, dass man sich freue, mir mitzuteilen, dass der Test positiv ausgefallen sei und ich weiterhin autofahren dürfe, wenn ich dabei eine Brille trüge. Was ich ja ohnehin tue.

Nachdem nun mein alter Medicus in den Ruhestand getreten ist, habe ich mich gesundheitlich in die Obhut einer jungen Kraft begeben und plötzlich gemerkt, dass dieser Tauglichkeitstest offenbar wesentlich mehr Kontrollpunkte enthält als mir früher bewusst war: Abhorchen, Ausklopfen, Reflexe prüfen, Koordination, Sensibilität an den Füssen, Balance und noch einiges mehr über das „Sehen und Hören“ hinaus. Ich fühlte mich sehr gut aufgehoben und seriös abgeklärt und ging frohen Mutes wieder von dannen.

Heute nun kam der Bescheid vom Amt: ein ausführliches Schreiben – eine „Verfügung“ -, gespickt mit Informationen zur Rechtsgrundlage und mit Belehrungen über die bestehenden Rekursmöglichkeiten, mit drei konkreten Auflagen. Erstens: beim Fahren eine Brille oder Kontaktlinsen zu tragen (das war mir nicht neu); zweitens: „allfällige Medikamente“ nach ärztlicher Anordnung einzunehmen (das wäre eigentlich auch selbstverständlich), aber dann kam der dritte Punkt, der ultimativ besagte: „die ärztlichen Weisungen sind strikte einzuhalten“.

Hoppla! Was ist denn da passiert? Hält man mich von Amtes wegen für einen Therapieverweigerer? Und wie will das Strassenverkehrsamt prüfen, ob ich diese Auflage auch tatsächlich erfülle? Sind wir schon so weit mit den Sozial-Spionen, dass die nebenbei auch mein Pillenschlucken überwachen können? Oder ist dies eine diskrete Nebenfunktion des Fehrschen Trojaners? Oder will man etwa mein familiäres Umfeld zu Denunziatentum anstiften?

Überdies: was passiert, sollte ich einmal in der Hitze des Gefechts oder auf Reisen nicht dazu kommen, meine Tabletten im richtigen Moment einzuwerfen..? Hat das den sofortigen Entzug der Fahrerlaubnis zur Folge? Wird mein Auto dann geschredddert? Jetzt bin ich doch ein wenig beunruhigt. Aber noch sehe ich davon ab, Rekurs einzulegen. Der ist nämlich kostenpflichtig.