6/7  Körperlich

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 14:42

Sie hat mich eine Woche lang begleitet. Diese Stimme aus dem Radio, früh am Morgen, wenige Minuten nur, aber nachhaltig einprägsam für den ganzen Tag. Es sind kurze Geschichten, Miniaturen aus dem Alltag, Betrachtungen und Gedanken zu alltäglichen Begebenheiten, verblüffend und sehr persönlich.

Die Stimme gehört einer Frau. Sie hat einen fast mädchenhaften Anflug in der Tonalität und nimmt vom ersten Satz weg gefangen: man merkt auf und hört zu, ist gespannt auf das, was sie zu sagen hat. Und vor allem: wie sie es sagt.

Die Frau ist Julia Weber. Ihre Texte habe ich schon in der Zeitung gelesen, wo sie ab und zu Kolumnen schreibt. Auf Schriftdeutsch allerdings, da ist sie mir eigentlich nicht besonders aufgefallen. Aber im Radio ist sie physisch präsent, ihre Stimme eben, die hat eine körperliche Ausstrahlung im Dialekt und in der Art, wie sie artikuliert, wie sie die Worte formt, die Sätze gliedert und wie sie beiläufig überraschende Bilder durch unerwartete Formulierungen entwirft.

Ihr letzter Beitrag am Ende der Woche galt einem Thema, das uns nur zu vertraut ist und das man mit „Bodypositivity“ umschreiben könnte. Eine Frau steht in der Badeanstalt unter der Dusche und macht sich Gedanken über ihren eigenen und über die Körper der anderen Duschenden, im Vergleich zu den Frauenkörpern, wie sie in der Werbung dargestellt und abgebildet sind… Aber was schreibe ich da? Was sie sagt und wie sie es sagt, das muss man sich anhören. Und mitnehmen in den hundsgewöhnlichen Alltag, der uns immer wieder mit Selbstzweifeln konfrontiert, obwohl diese zutiefst falsch und unnötig sind. Man muss es hören.