2/2  Akzeptiert?

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 15:54

Das Inserat sieht prächtig aus. Eine ganze Seite springt mich bei der morgendlichen Lektüre farbenfroh und grosszügig an. Es zeigt zwei Frauen in schwarzen Bikinis. Die eine ist modelmässig schlank und rank, die andere neigt offenbar zu leichter, aber nicht besonderer Fülligkeit. Neben beiden Damen steht eine fett und rot gedruckte Zahl: 44 bei der einen, 56 bei der andern. Dabei handelt es sich um Prozentwerte, wie das Kleingedruckte am Rande des Inserats besagt.

Mit einer Umfrage bei 500 Leuten wurde ermittelt, welcher der beiden Frauen-Typen denn auf mehr Wohlgefallen stosse, der schlanke oder der etwas fülligere? Und seihe da: 56 Prozent bevorzugen die Dame, an der „etwas dran ist“, während die anderen 44 Prozent auf „dünn“ stehen.

Das Inserat wurde geschaltet von der Schweizer Marktforschung, als Beleg für die Nützlichkeit solcher statistischer Erhebungen. Das Resultat wurde nicht kommentiert und nicht bewertet. Dies bleibt dem Betrachter, der Betrachterin überlassen. Aber welche Erkenntnis sollen wir denn aus diesen Prozent-Werten gewinnen? Liegt „Schönheit“ doch bekanntlich im Auge des Betrachters?

Nun gut, kann man einwenden, diese beiden Zahlen sind so unterschiedlich nicht. Bei einer Volksabstimmung würden sie freilich einen klaren Entscheid bedeuten, aber umgelegt auf das Schönheitsideal des Frauenkörpers besagen sie: ein bisschen Molligkeit wird offenbar von einer Mehrheit der Befragten begrüsst, während aber doch knapp die Hälfte nach wie vor auf den Magerkeitswahn hereinfällt, der uns durch sämtliche Medien dank Fotoshop um die Augen gehauen wird…

Darf daraus geschlossen werden, dass „etwas mehr Gewicht“ insgesamt doch salonfähig ist? Dass die paar Speckröllchen und das sanft gewölbte Bäuchlein keineswegs den Weltuntergang bedeuten, im Gegenteil? Ich denke, dieser markterforschte Befund dürfte da und dort etwas Druck aus der kritischen Selbstbewertung nehmen, sich nicht um jeden Preis einer Schlankheitskur zu unterwerfen, sondern das Leben und seine fülligeren Formen so zu geniessen, wie sie sind. Und das ist wohl nicht schlecht.