5/8  Werbefreie Kids?

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 15:58

Der Ruf wird immer lauter, die Kinder zu bewahren vor einem allzu intensiven Einfluss der (Fernseh-)Werbung, wenn es um Nahrungs- und Genussmittel geht. Entsprechende Regulierungs-Begehren sind zentral im Forderungskatalog fast aller Programme gegen die Adipositas-Epidemie, denn Prävention fängt bekanntlich bei den Kleinen an.

Dabei ist die Debatte über die Wirkung der Werbung noch lange nicht abgeschlossen. Die einen appellieren an die Erziehungsverantwortung der Eltern und machen geltend, dass die kleinen Kinder ja ihr Essen nicht sleber einkaufen würden… die andern zitieren Studien, welche belegen, dass die Kinder beim Einkauf eine wichtige Rolle spielen und die Eltern dazu bringen (können), Produkte zu kaufen, die alles andere als „gesund“ sind.

Offenbar wird von einem EU-Ausschuss nun vorgeschlagen, Werbung, die sich an Kinder und Jugendliche richtet, generell zu verbieten (also nicht nur bezüglich Esswaren), denn Kinder seien per definitionem noch gar keine ausgewachsenen Konsumenten, könnten also nicht rational abwägen und sich eine Meinung bilden, sondern liessen sich manipulieren durch simple emotionale Botschaften.

Die internationale Agentur ReedSmith (die sich u.a. mit Rechtsfragen rund um Werbung und Martketing befasst) hat in ihrem News-Dienst diese Thematik aufgegriffen, kritisert den Ansatz des EU-Ausschusses vehement und macht in der Argumentation geltend, wer seinen Kindern die TV-Werbung vorenthalte, der beraube sie der Möglichkeit, sich diesem Diskurs überhaupt zu stellen und so zu einem vollwertigen, argumentationsfähigen Mitglied der Gesellschaft heranzuwachsen…

Diese Begründung ist ebenso zwiespältig wie einleuchtend: natürlich gehört die (negative) Erfahrung – z.B. mit der heissen Herdplatte – zu den anerkannten erzieherischen Prinzipien, die sich rein verbal nicht vermitteln lassen. Aber ist diese Mechanik der direkten Erkenntnis auch auf jene Botschaften übertragbar, die durch Werbung möglichst effektiv vermittelt werden? Werbung ist ja nicht eine wertfreie Angelegenheit, die man zur Kenntnis nehmen kann oder nicht, sie verfolgt immer den Zweck der Überzeugung, der direkten oder indirekten Beeinflussung und Motivation zu einem bestimmten Handeln, zu einer Wahl.

Wenn die Welt ideal wäre, würden aufgeklärte und kundige Eltern zusammen mit ihren Kindern die Programme anschauen und auch über die Werbung diekutieren… im richtigen Leben ist dies jedoch nur ausnahmsweise der Fall. Wenn in der Schule der medienkundliche Unterricht einstzt, haben die Kinder bereits Abertausende von  ungefilterten Werbebotschaften verinnerlicht. Ein gewisser „Schutz“ ist daher mehr als angezeigt. Niemand würde ernsthaft verlangen, man müsse den Kindern bewusst verseuchtes Wasser zum Trinken geben, damit sie in die Lage versetzt werden, es kritisch beurteilen zu können…