4/4  Kongress der Hühner

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:53

Einige waren von weit her gekommen: aus Brasilien. Andere kamen aus Frankreich, aus Deutschland und auch aus der Schweiz. Es war eine internationale Gesellschaft, gebildet aus unterschiedlich starken Delegationen. Gemeinsam hatten sie sich in der Schweiz zusammen getan, um ein wertvolles Produkt zu gestalten. Oder doch, um an dessen Gestaltung mitzuwirken. Wenn auch nur passiv. Und sehr wahrscheinlich unfreiwillig.

Das Produkt kostet 19 Franken 50 pro Kilo. Es ist in dünne Scheiben geschnitten, unterschiedlich ausgestaltet, luftdicht in Plastik abgepackt, mit einem farbenfrohen Aufdruck, den ein lachender Hühnerkopf ziert, mit fröhlichen Äuglein, aufgestelltem Kamm und halboffenem Schnabel. Ein Qualitätsprodukt, das auf den Namen Geflügel-Aufschnitt hört. Das mit einem dicken roten X durchgestrichene Schwein zeigt an, dass das Produkt im Verzehr auch für Anhänger der muslimischen Glaubenslehre unbedenklich ist.

Eine bodenständige Firma im Sanktgallischen hat das Produkt gefertigt. Die Deklaration der Herkunftsländer hat mich nachdenklich gestimmt. Wie kommt es, dass hierzulande solche Charcuteriewaren nicht ausschliesslich aus Schweizer Fleisch gefertigt werden? Wäre das zu teuer? Und wie haben die Federviecher den weiten Weg aus Brasilien nach St. Gallen-Winkeln zurückgelegt? Selber geflogen sind sie ja nicht.  Kamen sie schon geschlachtet, ausgeweidet und zu handlichen Ballen gepresst? Oder bereits als Vorstufe gekocht und püriert? Und nach welchen hygienischen und tierschützerischen Kriterien wurden sie in Brasilien gehalten und verarbeitet?

Ich weiss, bei vielen Geflügelprodukten ist als Herkunftsland China angegeben. Wenn man weiss, wie bis vor kurzem im Reich der Mitte die einfachen Fabrikarbeiter gehalten wurden, dann kann man sich etwa vorstellen, wie dort das Geflügel, das auch keine Gewerkschaft hat, vor sich hin vegetiert. Über die Suizid-Rate der Hennen ist bisher nichts verlautet.

Der gnadelnlose Preiskampf an der Lebensmittel-Front hat offenbar zur Folge, dass immer billigere Grundmaterialien eingeflogen werden müssen. Ob dies auf Dauer gesundheitliche Folgen haben wird – gerade angesichts der aktuellen Antibiotika-Diskussion – ist noch offen. Gut beraten sind grundsätzlich jene, die mit dem Konsum solcher Waren zurückhaltend sind. Dass am Kongress der Hühner eine Resolution in eigener Sache gefasst worden wäre, ist hingegen nicht bekannt.


Ein Kommentar zu “Kongress der Hühner”

  1. Doris Schwager sagt:

    Guten Tag Herr von Grünigen,
    ich möchte meinen Fleischkonsum, also Rind, Schwein und Lamm einschränken, und bin jetzt auf der Suche nach einem „anständig“ gehaltenen Huhn, von welchemn auch Pouletbrust im Handel erhältlich ist. Wie Ihnen ist mir dann gestern in einem Supermarkt bei der Lekture einer Produktebeschreibung aufgefallen, dass Fleisch aus Brasilien und Frankreich verwendet wird. Ich war sehr überrascht. Für mich nicht akzeptabel. Werde ich nicht mehr kaufen. Welchen Leidensweg diese Tiere hinter sich haben, wissen wir nicht. Ich werde mich daher auf die mit sehr gut ausgezeichneten Biolabel’s verlassen, wie z.B. KAG. Ein Mehrpreis ist es mir wert.

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