29/7  Gift in den Medien

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:18

Das Gift ist angekommen. Eine grosse Tageszeitung bringt es seitenlang ins Bewusstsein der Leserschaft: Giftstoffe gelangen täglich über die Verpackung in unsere Nahrung. Die Aus- und Nebenwirkungen auf unsere Gesundheit sind noch weitgehend unerforscht.

Vor sechs Jahren tauchten an internationalen Adipositas-Fachkongressen zum ersten Mal Studien auf, welche einen Zusammenhang belegten zwischen dem in zahlreichen Plastik-Stoffen verwendeten Weichmacher Bisphenol und dem Entstehen von Adipositas, da diese Chemikalie im Körper Hormon-ähnliche Stoffe freisetzt, die auf gewisse Stoffwechsel-Funktionen einwirken können und so die Kontrolle über das Essverhalten beeinträchtigen.

Die Meldung wurde in Fachkreisen diskutiert, aber von den populären Medien nicht oder bloss am Rande zur Kenntnis genommen. Nun hat die in Zürich ansässige Stiftung Food Package Forum eine Studie veröffentlicht, die belegt, dass in der Schweizerischen Gesetzgebung heute 175 Stoffe für die Lebensmittel-Verpackung offiziell zugelassen sind, die nachweislich gesundheitsschädigende Auswirkungen haben können. Das Gesetz hinkt demnach sowohl der Markt-Realität wie auch den Forschungs-Erkenntnissen der Wissenschaft hinterher.

Unser Glaube an die Unfehlbarkeit und die Allmacht des technischen Fortschritts hat uns immer wieder in die Irre geführt. Als ich vor einem halben Jahrhundert längere Zeit in England verbrachte, gehörten die klassischen „Fish and Chips“ zur Standard-Verpflegung, die an jeder Strassenecke erhältlich war. Eine herrlich archaische Speise, frittierte Fisch-Stücke mit Kartoffeln und Mayo, gereicht in einer Tüte, die aus einer aktuellen Zeitung geformt war, besprenkelt mit Zitrone und Salz. Die fettigen Fisch- und Kartoffel-Brocken lösten dunkle Farbe aus der Druckerschwärze und bildeten so – dies jedenfalls war mein Eindruck – den ganz spezifischen geschmacklichen Reiz dieses Snacks.

Als ich kürzlich wieder mal in London war, fiel mir auf, dass die Strassen-Verpflegung in die Neuzeit transferiert worden war. Die Häppchen waren kleiner und gleichförmig geworden, die selbst gefaltete Tüte aus original Zeitungspapier war ersetzt durch ein vorgefertigtes Gebilde aus plastifiziertem Papier, auf das eine Faksimile-Wiedergabe einer historischen Zeitung gedruckt war. Die Speisen kamen nur noch mit dem „sauberen“ Plastik in Kontakt… und der alte, heimelige und vertraute Geschmack von einst war weg.

Der Fortschritt lässt sich nicht aufhalten. Ich habe keine Ahnung, wo das Risiko wohl grösser war: beim tagesaktuellen Ausriss aus dem Guardian mit seiner Druckerfarbe oder bei der mit Plastikfolie überzogenen Imitations-Tüte aus dem Labor… Und ich bin nicht der Meinung, dass „früher“ grundsätzlich alles „besser“ gewesen sei. Aber je mehr wir in eine sterile Industrie-Welt hinein gezogen werden, umso mehr sehnt man sich zurück nach dem einfacheren Leben von damals, das unsere Kinder so gar nie mehr erleben werden…


Ein Kommentar zu “Gift in den Medien”

  1. Nana sagt:

    Danke für Ihre immer wieder spannenden Blogthemen! Wenn ich das heutige so lese frage ich mich, wie ich so alt werden konnte, obwohl das Leben ja mittlerweile lebensgefährlich ist …..

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