21/1  Messebesuch

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:10

Samstag und Sonntag: Teilnahme am diesjährigen Ostschweizer Gesundheitssymposium in der OLMA-Halle 9.

Die Veranstaltung hat bereits Tradition. Organisiert vom Kantonsspital St.Gallen, präsentieren sich die verschiedenen Abteilungen mit ihren Dienstleistungen, offerieren gratis Gesundheits-Checks und führen Informationsveranstaltungen durch, Fachvorträge und Kolloquien.

Eingebettet in den Sektor „Übergewicht“ hat auch die SAPS einen kleinen Info-Stand, wo wir unsere Drucksachen auflegen und vor allem das Gespräch suchen können mit Menschen, die mehr wissen wollen darüber, wo sie sich orientieren können über die Möglichkeiten für eine Behandlung.

Vielfältige Kundschaft dockt bei uns an, obwohl es nichts gratis gibt – ausser unseren Empfehlungen. „Dicksein ist keine Schande“ haben wir als Slogen für uneren Banner gewählt, und es ist interessant zu beobachten, was sich in den Gesichtern mancher Messebesucher abspielt, wenn sie diese Worte zuerst von weitem sehen, sie dann lesen und einzuordnen versuchen. Kommt ein etwas übergewichtiges älteres Ehepaar daher, so nickt die Frau dem Mann meistens verständnisvoll zu oder stupst ihn in die Seite, als wollte sie sagen: „Siehst du!?“

Andere, die es nicht nötig haben, bleiben kurz stehen, stutzen, schütteln ein wenig den Kopf – und gehen dann zügig weiter. Und dann gibt es jene, die direkt auf unseren Tisch zukommen und fragen: „Habt ihr noch diese Broschüre mit dem Ess-Typ-Test?“ Oder die uns ihre Geschichte erzählen und wissen möchten, an wen sie sich wenden können. Oder jene, die voller Stolz von ihrem Abnehm-Erfolg berichten und wie sie es gemacht haben.

Es ist wichtig, Gelegenheit zu haben, jenen Menschen und ihren Schicksalen zu begegnen, für die wir uns in der Stiftung einsetzen. Am Sonntag sind wir wieder dort, von 10 bis 17 Uhr.




20/1  Leichte Küche – light

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:01

Alles kocht uns was vor. Jetzt ist das ZDF dran, bzw. dessen Johannes B. Kerner, genannt jbk mit seinem Spitzenköche-Team.

Sarah Wiener, Horst Lichter, Dieter Müller, Rainer Sass und Rolf Zacherl haben sich vorgenommen, leichte Küche für den Alltag zu kochen. Die einzelnen Gerichte, die das Quintett da wortreich vor unseren Augen zubereitet, klingen freilich nach allem anderem als alltäglicher Hausmannskost: Gedünsteter Saibling, gebratener Wirsing, Steinbutt-Lachsroulade, Geflügeleintopf mit Garnelen und Bananen-Ingwer-Rotweincrème, dazu die jeweiligen raffinierten Beilagen…

..und weil man das alles ja bei dem Tempo überhaupt nicht im Kopf behalten kann, lassen sich die Rezepte zum Glück mit einem Mausklick herunterladen. – Das klingt alles sehr überzeugend: das Öl wird mit dem Finger aufs Fischfleisch aufgetragen, das Gemüse wird taufrisch verarbeitet… dann aber gleitet doch wieder ein schönes Stück Butter fast unbemerkt in die Kasserole und der Rahm für die Farce bei der Steinbutt-Roulade ist auch nicht ohne, wenn er sich im Mixer mit den Kräutern bindet…

„Reine Diätküche!“ – werden die Chefs nicht müde zu betonen, und mit der Zeit glaubt man’s ja auch, denn zum Glück findet das alles hinter der leicht gewölbten Glasscheibe des Fernseher statt. Und wenn die Kostproben im Publikum herum gereicht werden und wenn man sieht, mit welch zupackenden Bewegungen sich die diätbedachten Gäste die Häppchen schnappen und reinstopfen… dann ist man direkt froh, dass der Kühlschrank heute Abend leer ist und es nicht so schwer fällt, der Versuchung zu widerstehen.

Was wollen uns solche Sendungen sagen? Dass man nachts zwischen 23 Uhr und Mitternacht zu fünft kochen soll? Dass man den violetten Senf mit dem eingedickten Traubensaft kaufen muss? Oder ganz simpel und gerade heraus: Wenn du so lecker speisen willst, dann versuch gar nicht erst, es selber zu bruzzeln – geh lieber direkt in das Mehrstern-Etablissement, wo die Kochprofis dir ihre Spezialitäten auf den Teller zaubern. – Ob er in seinem Lokal auch diese fettbewussten, leichten Gerichte auf der Karte habe, fragt jbk einen der Köche… – der zögert ein wenig. Eigentlich selten, sagt er.




19/1  Eine wahre Katastrophe

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:28

In Zürich läuft etwas, das man Wahlkampf nennt, das aber keiner sei. Sagen die, die darüber berichten müssten.

Ich wurde – als ehemaliger Radiomann – eingeladen an ein Podiumsgespräch, veranstaltet von einer Parteiengruppierung (Grüne, Junge Grüne und Christlichsoziale), der man landläufig keine besondere Affinität zum Ordnungsstaat und zu dessen Hütern nachsagen möchte. Und doch waren da alles Referenten mit einem ordnungsgemässen Hintergrund: Der Polizeimann, der die Katastrophen-vorsorge koordiniert, die Theologin, die als Polizeiseelsorgerin die Leute im harten Einsatz betreut, der Versicherungsspezialist, die Stadträtin… und dann noch der Journalist.

Wir haben alle „katastrophalen“ Zustände erörtert, angefangen mit demjenigen, in dem die Welt sich dank dem Menschen befindet, über medial vermittelte Events wie „9/11“, „Tsunami“ oder Erdbeben, bis zu näheren Vorkommnissen à la Flugzeug-absturz aufs städtische Wohngebiet, Unfall mit einem Tanklastwagen in der Innenstadt oder Staudammbruch beim Sihlsee…

Und erörtert wurde, wie mit diesen Ereignissen umzugehen sei, wie darüber informiert wird, wer sich vorbereitet, wer „richtiges“ Verhalten einübt und was man zur Vermeidung unternehmen könnte. – Eine sehr abwechslungsreiche Diskussion, die alle Aspekte streifte und auch Raum liess für politische Standortbezüge.

Der Versicherungs-Fachmann war es, der den Gedanken der Solidarität ins Spiel brachte: Bei der Gebäudeversicherung gibt es einen Einheitstarif, unbesehen, ob das Haus am Flussrand, im Lawinenkegel oder auf sicherer Höhe steht. Solidarisch trägt der eine das Risiko des andern mit und wappnet sich so gegen die Kostenfolgen einer Katastrophe. – Da musste ich einwenden, dass wir leider im Begriff sind, im Gesundheitswesen die Solidarität über Bord zu kippen.

Risikopatienten werden von Zusatzleistungen ausgeschlossen. Die chirurgischen Eingriffe bei Übergewicht unterliegen diskriminierenden Regelungen bezüglich Alter und „Vorleben“, wie sie keine andere Krankheit kennt! Hier bahnt sich eine Praxis der gezielten Vernachlässigung des Solidaritätsprinzips an, die uns mit panischem Schrecken erfüllen müsste. Eine wirkliche Katastrophe, denn sie ebnet der Zweiklassenmedizin definitiv den Weg, sie zwingt Betroffene in einen Rechtfertigungs-Zyklus, aus dem man bald nur noch mit Tricks und Manövern herauskommt… Und es sieht ganz so aus, als stünden wir erst am Anfang einer Spirale, die sich zuerst langsaam, dann immer schneller dreht.

Zum Wesen der Katastrophe gehört, dass man aufgeregt darüber berichtet. Es wäre an der Zeit, dass wir uns über diesen Zustand lautstark zu empören begännen.




18/1  Was ungesagt blieb

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 21:41

In einer Live-TV-Sendung werden Minuten zu Sekunden. – Der Auftritt bei TeleZüri – TalkTäglich-Diskussion zum Thema Übergewicht – war von Chefredaktor Markus Gilli minuziös und perfekt vorbereitet worden, und als man begonnen hatte, war es schon vorbei.

25 Minuten Sendung, geteilt durch 4 Leute, sind 6 Minuten und 15 Sekunden pro Person, und das ist angesichts der uferlosen Thematik selbst für einen Berner, der schnell zu sprechen versucht, eher knapp.

So musste Einiges ungesagt bleiben, was „an sich“ wichtig gewesen wäre. Den beiden Anrufenden, die über sensationelle Resultate mit einer bestimmten Kur berichteten (9 Kilo in drei Wochen mit „anti-Jo-Jo-Garantie“!) hätte man sagen müssen, dass der wirkliche Erfolg erst in fünf bis zehn Jahren beurteilt werden kann, wenn die Nachhaltigkeit der Wirkung und die „Lebbarkeit“ des Programms ersichtlich werden.

Und jener Patientin, der eine Magenbypass-Operation empfohlen wurde und die aus Ungewissheit und Angst vor deren Ausgang ihren letzten Arzttermin hatte sausen lassen, hätte man unbedingt empfehlen müssen, sich mit einer der bestehenden Magenband- und Bypass-Sebsthilfegruppen in Verbindung zu setzen, in deren Schoss die Teilnehenden einen offenen und hilfreichen Erfahrungsaustausch pflegen und wo man sich gegenseitig Motivation und Unterstützung gibt. Die entsprechenden Informationen befinden sich auf der Website der SAPS oder auf der Linkplattform „www.sapsplus.ch“.

Man hätte auch differenzieren können und müssen zwischen den verschiedenen „Kategorien“ von Übergewicht, zwischen den zahlreichen methodischen Ansätzen, die sozusagen den Markt überschwemmen, und vor allem hätte man die gesundheitspolitischen Aspekte und die Rolle des Gesetzgebers einerseits sowie das Verhalten der Lebensmittel-Industrie und deren Lobbyisten anderseits diskutieren müssen… aber dazu wären dann wieder andere Gesprächspartner nötig gewesen.

Fazit: Die Arbeit geht uns nicht aus, und Markus Gilli hat in Aussicht gestellt, bei Gelegenheit auf das Thema zurück zu kommen. Danke.




17/1  Ein heikles Thema?

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:44

Frau C., mit der ich im Stiftungsrat eines Hilfswerkes sitze, outet sich als Blog-Leserin. Allerdings, sagt sie, vermisse sie ein Thema: Sex bei Übergewicht.

Nun ist das nicht so einfach. Ein Blog ist ein Tagebuch. Was immer man schreibt, kann gegen einen verwendet werden. – Aber man kann auch im Allgemeinen bleiben. Schönheit und erotische Anziehung liegen bekanntlich im Auge des Betrachters. Und es ist auch bekannt, dass es nicht wenige Frauen gibt, für die muss „an einem Mann etwas dran sein“, damit sie ihn anziehend finden. Und Männer gibt es, die stehen ausdrücklich auf mollige Frauen. Da hat es im Internet unter Stichworten wie „Rubenslady“ und „Rubenschat“ ganze Plantagen von Seiten mit einschlägigen Angeboten. (Ich verzichte darauf, hier einen Link zu setzen, in aller Regel geht es um Abzocke im Minutentakt.)

Anziehung ist also da, beidseitig. Aber was ist mit der Technik? Gibt es Handlungen, bei denen eine zu üppige Leibesfülle hinderlich wäre? Oder findet so oder so zusammen, was zusammen will? Wenn es will?

Hierüber liesse sich nun ein Diskurs eröffnen, unterfüttert mit persönlichen Erfahrungen. – „Liebe im Alter“ wird in den Medien breit thematisiert. „Behinderte Liebe“ hiess ein klassischer Solothurn-Film von Marlies Graf, der vor 27 Jahren das Gespräch und die Wahrnehmung enttabuisiert hatte. – Aber „Dicke Liebe“ ist mir als ernsthaftes Thema bis jetzt nicht untergekommen. Ausser dann eben in diesen schmuddeligen TV-Talkshows, wo die Dünnen die Dicken anmachen und niederbrüllen und die Dicken mit ihrer ganzen Wucht sich aufbäumen und darauf bestehen, die feurigeren Geliebten und Liebhaber zu sein.

Wie also sollte man, hier, im dezenten nzz-online-Umfeld, über dieses Thema berichten? Oder doch nicht? – Gibt es Meinungen dazu? Frau C. wäre gespannt.




16/1  Max, das dicke Kind

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:11

Abstecher in die Ambassadorenstadt. Eröffnung der 41. Solothurner Filmtage mit einem Referat von Bundespräsident Moritz Leuenberger und dem Spielfilm „Nachbeben“ von Stina Werenfels.

Das ist einer der stärksten Filme, die ich in den zurückliegenden 40 Jahren auf den Solothurner Leinwänden gesehen habe! Die packende, beklemmende, gleichzeitig liebevoll beobachtende und scharf analysierende Darstellung eines zeitgemässen, „trendigen“ Schicksals.

Die Geschichte eines sehr erfolgreichen Investment-Bankers, dem aber nach einigen Misserfolgen das Wasser am Hals steht. Mit Aufputschmitteln hält er die Fassade oben, zelebriert zackig den aufgestellten Familienvater und inszeniert eine hedonistische Gartenparty, zu der sich sein Chef und Geschäftspartner, dessen Frau mit Baby und ein junger Shooting Star aus der Firma einstellen… und dann beginnt sich immer rasanter eine Spirale zu drehen, in der die gegenseitigen Abhängigkeiten, Machtspiele, Sehnsüchte, Eitelkeiten und Leidenschaften ausgelebt werden…

Was eben noch heile Familienwelt war, offenbart sich als abgründige Lebenslüge, an der schliesslich die so schön übertünchte Luxusexistenz in der Villa mit Seeanstoss zerbricht und in sich selber zusammen fällt, ein Häuflein Selbstmitleid und Einsamkeit.

Eindrückliche Figuren, die freilich kein Cliché auslassen, kräftige Dialoge, im gehetzten Tempo des Lifestyle-Stresses, eine Kamera, die porentief an die Charaktere heran geht… Eine sackstarke Produktion! – Sie hat – und da sind wir dann bei „unserem“ Thema – einen heimlichen, tragischen Helden. Es ist Max, der halbwüchsige Junge des Macho-Bankers „HP“ und seiner Frau Karin, die Innenarchiterktur studiert und zur Wodkaflasche greift wie unsreins zu Walserwasser.

Max ist adipös. Er steckt in seinem Fettpanzer, der ihn schützt vor der kumpelhaften Überforderung durch den Vater, er lebt in einer versponnen Welt aus Videogames und einer selbst gebastelten Überwachungsanlage, mit der er die Erwachsenen bei ihren Party-Gesprächen im Garten beobachten und belauschen kann, er hört durch die dünnen Wände Gesprächs- und Streit-Fetzen aus dem Nebenraum und er kriecht wie ein Gnom auf allen Vieren aus seiner Zimmertür, die Kapuze tief über den Kopf gezogen… Er ist da – und doch nicht dabei. Er weiss, dass sein Vater ihn verachtet, er sucht die Liebe seiner Mutter und er lebt in seinem elektronischen Kokon ausgeliefert und zugleich geborgen. Fassungslos beobachtet das dicke Kind den Untergang der vordergründigen Welt seiner Eltern.

Dieser Figur nähert sich der Film mit einer zärtlichen Anteilnahme, die betroffen macht und die weit über das desillusionierende Ende hinaus nachwirkt.




15/1  Sämi zeigts allen

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 21:30

Übergewicht als Schwerpunktthema in der TV-Sendung GesundheitSprechstunde auf SF 2. Wer etwas auf sich hält und betroffen ist, hat sich den Termin vorgemerkt. Die Redaktion hatte vorgängig bei uns angefragt, ob wir von der Adipositas-Stiftung Gesprächsteilnehmer vermitteln könnten, was wir gerne gemacht haben.

Didaktisch geschickt war der Ablauf aufgebaut: Informationen zum Essverhalten und zur Menge der Kalorien, die sich so mir nichts dir nichts zusammenläppert, wenn man zu lange und zu nah bei einem Bratwurstgrill verweilt… einleuchtend vermittelt und nachvollziehbar.

Und immer wieder verblüffend, wie einfach im Prinzip die Bauchmess-Methode wäre, um festzustellen, ob man sich schon im roten oder noch im grünen Bereich befindet: dunkelrotrot (Gefahrenzone) beginnt bei Männern mit 102 cm, bei Frauen mit 88…

Extrem eindrücklich dann die dreidimensionalen Schnittbilder aus dem Magnetresonanz-Tomografen, die zeigen, wo und wie sich im Körper die Fettzellen ablagern und wie sie die übrigen Organe umschlingen und verdrängen… Wer das gesehen hat, weiss, warum er beim Treppensteigen ins Keuchen kommt. Und nicht minder einleuchtend die Ultraschall-Bilder von Blutbahnen, die durch Ablagerungen verengt sein und zu Infarkten führen können.

Erstaunlich, was die Technik uns an Einsichten zeigen kann, illustriert mit Filmreportagen über Betroffenheiten, die allen, welche mit Übergewicht zu tun haben, vertraut sind. – Und doch immer wieder die selbstkritische Frage: Wenn wir doch das alles schon wissen, weshalb halten wir uns nicht an die Erkenntnisse? Was muss passieren, dass es „klick“ macht und wir uns entschliessen, etwas zu unternehmen – und dann auch dran zu bleiben?!

Im Gespräch mit einem Psychologen wurden etliche Punkte gestreift, und auch wenn der Eindruck von dieser Runde etwas verschwommen blieb (trotz eindrücklicher Leistungen im Umgang mit dem persönlichen Problem), so wurde mir klar: Auch was selbstverständlich und altvertraut klingt, muss immer wieder und wieder gesagt werden, bis es sich einnistet im Bewusstsein derer, die es noch nicht wissen wollen.

Es gibt zur Sendung am Kiosk übrigens auch ein sehr lesenswertes Begleitheft. Und die wichtigsten Inhalte sind nachzusehen auf der Website.




14/1  Meine Stimme für Francesco

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:26

Es war ein relativ betriebsamer Samstag. Eigentlich hätte ich vom Büro aus eine Dokumentation an 20 Sitzungsteilnehmer verschicken wollen, die ich am Donnerstag dann auf ein gemeinsames Projekt im Nonprofit-Bereich einschwören möchte… aber das Verfasserteam hatte den Text noch nicht bereinigt. So blieb mir ein unerwartet „freier“ Tag und der wurde zum Einkaufen genutzt. Aber das ist eine andere Geschichte.

Am Abend jedoch, etwas abgekämpft von Irrfahrten durch Parkhäuser, auf der Suche nach Mobiliar und Ausstattungsgegenständen zwischen Brockenstube und Grosseinkaufszentren und Transporten von sperrigen Gegenständen zu ihrem Zielort… Abends jedoch dann der Wunsch nach einer kleinen kulinarischen Belohnung bzw. Entspannung.

Und da galt der Gang einem Geheimtipp: Da Francesco ist ein eigentlich unscheinbares Lokal im winzigen Bahnhofsgeäude bei der S-Bahn-Station Zürich-Seebach. Die Station verdient diesen Namen kaum noch, sie ist unbemannt, wird zwar von Pendlern genutzt, steht aber ein wenig im Niemandsland, am Rande der Architektur-Explosion namens „Neu-Örlikon“ und hinter den verschiedenen Geleisen, nicht ganz in Seebach… Agglo eben.

Aber das Lokal hat es in sich. Es gehört gastronomisch zur Dynastie mit dem verheissungsvoll klingenden Namen Cavaliere Michele Calleri. Das ist eine Familie aus Sizilien, die sich vor vierzig Jahren in der Schweiz etabliert hat, mit einem kleinen Essiggurkenhandel begann und sukzessive expandierte, das Geschäftsfeld erweiterte, sich ihre eigene Nische schuf, im wahrsten Sinne des Wortes: Jahrelang betrieb sie ein Lokal in einem der Bögen unter dem Eisenbahnviadukt im Kreis 5, bis sie, von dort vertrieben, auf der Suche nach einem neuen Standort in die Wildnis von Zürich Nord geriet.

Eine italienische (pardon: sizilianische) Trattoria wie aus dem Märchenbuch. In der Küche hantiert die Nonna, Hüterin der traditionsreichen Rezepte, und kocht Pasta und Salse, bäckt täglich ofenfrische Spezialbrote, am Stammtisch sitzt der Nonno, der Filio (Francesco) und seine Moglie führen das Geschäft, und der kleine Enkel krabbelt zwischen den Tischen herum… An den Wänden brechend volle Regale mit allen Köstlichkeiten der mediterranen Küche, ein Wein-Regal, Aceti Balsamici die wie Sirup schmecken, und Dolci… von der Auslage mit den Antipasti und den wunderschönen, blank angeschnittenen Würsten ganz zu schweigen.

15 Franken kostet das Menü, hausgemachte Ravioli mit Trüffelöl und verschiedenen, selber fabrizierten Saucen, davor Bruschette als Vorspeise und ein Tomaten-Mozzarella-Salat, der sich im Mund zum Gedicht entfaltet. Ok, den Wein muss man extra bezahlen… Aber was schreibe ich da? – Es sind alles beste, gesunde, frisch zubereitete Gerichte, serviert und empfohlen mit einer spürbaren Leidenschaft für das Gute und für den Genuss.

Da nimmt man in Kauf, dass nicht alle Zutaten den strengen Regeln des aktuellen Regimes enstsprechen. – Ich habe dann zuhause am Radio gehört, dass Peter Sauber „Schweizer des Jahres“ geworden sei. So what? Wenn es eine Kategorie für erschwingliche aber perfekte und genussvolle Verpflegung gäbe, ich hätte für Francesco gestimmt.




13/1  Vom inneren Schweinehund

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:25

Diese animalische Kreuzung aus des Menschen bestem Freund und einem borstigen Nutztier (dem alledings erhebliche Intelligenz attestiert wird), soll, wenn es mir recht ist, ihren Ursprung irgendwo im preussischen Kommiss haben, dem Militär also, wo man die vom Wehrdienst zermürbten Landser mit dem derben Zuruf zu strammem Benehmen aufforderte, sie sollten endlich „ihren inneren Schweinehund überwinden“.

Dieses grunz-bellende Etwas, das uns immer dann als Ausrede dient, wenn wir nicht tun, was wir tun sollten (und vielleicht auch tun möchten), ist Thema einer vergnüglichen und informativen Enährungsfibel: „Abnehmen mit dem inneren Schweinehund“ von Dr. Marco von Münchhausen und Dr. Michael Despeghel, erschienen bei Gräfe und Unzer.

Hier wird ein Abnehmprogramm skizziert, das sich mit psychologischer Raffinesse mit all jenen Widerständen auseinander setzt, die vom „iSch“, unserem „schlechteren Ich“ so beharrlich immer wieder formuliert werden, bis wir sie selber für wahr und gottgegeben halten.

Ein lehrreicher Lesespass, der zugleich viel Wissenswertes in verständlicher Form vermittelt und der zu einer bewussten Veränderung es Lebensstils ermutigt, so dass einem der „iSch“ schliesslich direkt ans Herz wächst und zum Freund wird, der beim Abnehmen behilflich ist.

An einem anderen Ort gibt es im Internet einen
Schweinehund-Test, der einem Aufschluss gibt über das Ausmass der inneren Verschweinehundung… – Es kann also niemand sagen, er habe es nicht genau gewusst.




12/1  Das schlechte Liftgewissen

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:42

Mein Büro ist an bester Lage im ersten Stock. Wenn ich morgens von der Tramstation oder vom Quartierbahnhof her die letzten paar hundert Meter zu Fuss über Kopfsteintrottoirs, Fussgängerstreifen, den laubbedeckten Innenhof ins Treppenhaus gelangt bin, dann habe ich den strengen Eindruck, dass ich den ersten Teil meines physischen Tagesprogramms bereits absolviert habe.

Ich stehe vor der Lifttür und weiss: Nach allen Regeln der Abnehmkunst wäre es jetzt dringend angesagt, auch die beiden Treppen in den ersten Stock noch schwungvoll zu nehmen, um – wie in jedem Lehrbuch gut beschrieben – den Kreislauf mal kurz in Schwung und das Herz zum Klopfen zu bringen. Aber ich stehe vor dem Lift und spüre im Knie diesen sanft aber beharrlich stechenden Arthrose-Schmerz, der einen Hauch von Glassplitter an sich hat und der mich bei jedem Schritt daran erinnert, dass da immer noch einige Kilo zu viel sind.

Der Finger geht zum Knopf. Der Lift muss irgendwo in den oberen Geschossen sein, es dauert. Da tritt durch die Eingangstüre ein Mitarbeiter vom Sportamt aus dem vierten. Er weiss, dass ich nur in den ersten Stock müsste. Und wahrscheinlich weiss er auch, dass ich eigentlich wissen müsste, dass ich laufen sollte. Er schaut ostentativ an mir vorbei und eilt mit federnden Schritten treppauf… Ich warte.

Jetzt kommt ein Velokurier mit Umhängtasche und einem gequetscht vor sich hin maulenden Funkgerät an der Schulter. Er stellt sich neben mich und mein Sinn für fremde Wahrnehmungen sagt mir, was er denken müsste, wenn er mit mir in den Lift kommt und ich nach bloss einem Stock schon wieder aussteige.

Drum blicke ich auf die Uhr und tue so, als wäre ich in Eile und könnte nicht mehr warten, bis der Lift endlich kommt. Ich lasse den Schmerz Schmerz sein, packe mit meiner Rechten den Handlauf und ziehe mich so zackig, wie ich es erscheinen lassen kann, hinauf, wenigstens so lange, bis ich die Lifttüre unten sich öffnen und wieder schliessen höre und annehmen darf, dass der Velokurier eingestiegen ist. Nun geht es gemächlicher, Tritt für Tritt. Das Herz ist dennoch auf Touren, der Atem geht tief und ich beginne, ein ganz klein wenig stolz auf mich selber zu sein.

Jetzt bin ich oben, im ersten Stock. Neben mir geht die Lifttür auf. Der Velokurier kommt heraus. Er bringt ein Präparat in die Pathologie, die ihre Räume gleich neben uns hat. Ich brauche meinen ersten Espresso.