12/1  Das schlechte Liftgewissen

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:42

Mein Büro ist an bester Lage im ersten Stock. Wenn ich morgens von der Tramstation oder vom Quartierbahnhof her die letzten paar hundert Meter zu Fuss über Kopfsteintrottoirs, Fussgängerstreifen, den laubbedeckten Innenhof ins Treppenhaus gelangt bin, dann habe ich den strengen Eindruck, dass ich den ersten Teil meines physischen Tagesprogramms bereits absolviert habe.

Ich stehe vor der Lifttür und weiss: Nach allen Regeln der Abnehmkunst wäre es jetzt dringend angesagt, auch die beiden Treppen in den ersten Stock noch schwungvoll zu nehmen, um – wie in jedem Lehrbuch gut beschrieben – den Kreislauf mal kurz in Schwung und das Herz zum Klopfen zu bringen. Aber ich stehe vor dem Lift und spüre im Knie diesen sanft aber beharrlich stechenden Arthrose-Schmerz, der einen Hauch von Glassplitter an sich hat und der mich bei jedem Schritt daran erinnert, dass da immer noch einige Kilo zu viel sind.

Der Finger geht zum Knopf. Der Lift muss irgendwo in den oberen Geschossen sein, es dauert. Da tritt durch die Eingangstüre ein Mitarbeiter vom Sportamt aus dem vierten. Er weiss, dass ich nur in den ersten Stock müsste. Und wahrscheinlich weiss er auch, dass ich eigentlich wissen müsste, dass ich laufen sollte. Er schaut ostentativ an mir vorbei und eilt mit federnden Schritten treppauf… Ich warte.

Jetzt kommt ein Velokurier mit Umhängtasche und einem gequetscht vor sich hin maulenden Funkgerät an der Schulter. Er stellt sich neben mich und mein Sinn für fremde Wahrnehmungen sagt mir, was er denken müsste, wenn er mit mir in den Lift kommt und ich nach bloss einem Stock schon wieder aussteige.

Drum blicke ich auf die Uhr und tue so, als wäre ich in Eile und könnte nicht mehr warten, bis der Lift endlich kommt. Ich lasse den Schmerz Schmerz sein, packe mit meiner Rechten den Handlauf und ziehe mich so zackig, wie ich es erscheinen lassen kann, hinauf, wenigstens so lange, bis ich die Lifttüre unten sich öffnen und wieder schliessen höre und annehmen darf, dass der Velokurier eingestiegen ist. Nun geht es gemächlicher, Tritt für Tritt. Das Herz ist dennoch auf Touren, der Atem geht tief und ich beginne, ein ganz klein wenig stolz auf mich selber zu sein.

Jetzt bin ich oben, im ersten Stock. Neben mir geht die Lifttür auf. Der Velokurier kommt heraus. Er bringt ein Präparat in die Pathologie, die ihre Räume gleich neben uns hat. Ich brauche meinen ersten Espresso.




11/1  Wahrhaft nahrhaft

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:21

Eigentlich bin ich durch einen Zufall hineingeraten. Wieder mal beim spätabendlichen Zappen hängengeblieben. Plötzlich ein déja vu: Marianne Sägebrecht steigt aus eindem kleinen gelben Auto – und mit einem Schlag ist die ganze Erinnerung wach:

Es ist der herzerwärmende Film von der übergewichtigen Postbotin Margret Kirschenschneider aus der Provinz, die vor die Alternative gestellt wird, abzunehmen oder aus dem Postdienst auszuscheiden… weil sie zu dick ist für das neue Fahrzeug. Und während sie zur zwangesverordneten Kur fährt, treibt es ihr Malerfreund mit der jungen Vertretung… das führt dazu, dass sie aus ihrem bisherigen Leben ausbricht und einen neuen, eigenen Weg geht.

Und dann die Erkenntnis, dass dieser Film zu einem Themenschwerpunkt auf 3sat gehört, der eine ganze Woche lang dauert, vom 11. bis zum 18. Januar. Unter dem Motto „Wahrhaft nahrhaft“ sind mehr als 25 Sendungem programmiert, die das Thema Übergewicht aus allen möglichen Blickwinkeln beleuchten. Ernährung, Lebensmittelproduktion, Diätkonzepte, therapeutischen Ansätze, medizinische Erkenntnisse, Dokumentationen und Reportagen und immer wieder Spielfilme mit Menschen von besonderem Gewicht…

Es ist eine beeindruckende Vielfalt an Inhalten, begleitet auf der 3sat-Website von einer umfassenden und informativen Dokumentation. Hier werden die Möglichkeiten der medialen Kommunikation vorbildlich ausgenützt und eingesetzt. Es verspricht eine spannende Fernseh-Woche zu werden. Service public at its best. Und das Wiedersehen mit eindrücklichen Produktionen ist programmiert. Den Abschluss am 18. Januar macht der DRS-Dok-Film „Vollfett – abnehmen um jeden Preis?“ – Nicht verpassen!




10/1  Bauern in Not?

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:23

Es frisst der Bauer in der Not
seine Wurst auch ohne Brot.

An diese etwas derbe Weisheit, die in unserer Jugendzeit dem Volksmund zugeschrieben wurde, fühlte ich mich erinnert, als ich gestern auf TeleZüri gesehen habe, wie das Rohner-Konzept diskutiert wurde. Ursula Moser hatte innerhalb von zwei Jahren 90 Kilo abgenommen, eine in der Tat beachtliche Leistung. Und Dr. med. Wolfgang Rohner, der dem Konzept seinen Namen gibt, sass dabei.

Das „Rohner-Konzept“, das auf der SAPS-Website im Diskussionsforum immer wieder für hitzige Auseinandersetzungen Stoff bietet, ist eine etwas modifizierte Version des Atkins-Prinzip, eine sogenannt „ketogene“ Ernährungsweise, bei der konsequent auf den Verzehr von Kohenhydraten – sei es in Form von Teigwaren, Brot, Zucker, Früchten, Schokolade… – verzichtet wird.

Aufgrund einer Blut-Analyse wird dem Patienten ein spezifischer Stoffwechsel-Typ zugeordnet, für den eine Nahrungsmittel-Liste abgegeben wird mit den verschiedenen Elementen, die erlaubt, in kleinen Mengen möglich oder verboten sind. – Es gibt Leute, die mit dieser Methode markant an Gewicht verloren haben. Andere haben nach längerer oder kürzerer Zeit das Handtuch geworfen, weil sie „ganz ohne Brot“ nicht leben mochten. Nun kann man fragen, was denn wichtiger, was erstrebenswerter sei: Sein Normal- oder Wohlfühlgewicht wieder zu erlangen und beschwerdefrei zu sein oder nicht auf Zucker, Brot und Teigwaren verzichten zu müssen (quasi für den Rest des Lebens)?

Wäre Übergewicht eine Krankheit wie eine Allergie, die beim Verzehr von bestimmten Lebensmitteln einen Ausschlag mit leuchtend grünen Pusteln und einen höllischen Juckreiz, begleitet von Schwindel-Anfällen und unkontrollierten Zuckungen auslösen würde, dann fiele uns eine solch radikale Umstellung allenfalls leichter. Aber so merken wir die Folgen unseres Verhaltens erst mit Verzögerung, wenn die magische Grenze auf der Waage wieder mal überschritten ist…

Nun, beim Rohner-Konzept gibt es auch noch den medizinischen Aspekt: Kritische Standesgenossen wenden ein, wer sich längere Zeit so einseitig ernähre, riskiere u.a. einen bleibenden Leberschaden. – Die gemäss „Consensus“ akzeptierten konventionellen, medizinisch überprüften Therapien jedenfalls führen dieses Konzept nicht im Angebot.

TeleZüri nimmt den Ball auf. Am Donnerstag wird das Thema weiter geführt, in einer neuen Runde, deren Zusammensetzung ich noch nicht kenne, mit einer Ausnahme: Ich werde dabei sein. Bis dann!

PS: …oder auch nicht. – „TeleZüri“ hat aus aktuellem Anlass sein Programm umgestellt und bringt den ZSC-Kloten-Stadion-Knatsch zur Sprache. Sorry, vielleicht ein andermal.




9/1  Brainstorming

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:22

Ich habe in den letzten Wochen an dieser Stelle immer wieder etwa ein Postulat aufgestellt: Man sollte… der Bund müsste… die Politik ist gefordert… wir erwarten… – Und nun bin ich unversehens mitten drin.

Montagmorgen in Bern. Sitzung der „Fachgruppe Ernährung“ innerhalb der Gesellschaft Public Health Schweiz. Eine engagierte Gruppe von Ernährungswissenschafterinnen aus den verschiedensten Bereichen, und der SAPS-Mann mit dabei, kein eigentlicher Fachspezialist, aber doch einer, der aus der Optik der Betroffenen Anliegen und Erfahrungen zum Thema einbringen kann.

Es geht darum, nach einer kurzen Situationsanalyse zuhanden der politischen Instanzen die wesentlichen Ziele für eine künftige Ernährungspolitik zu definieren, welche im Rahmen eines europaweiten Programms gegen Übergewicht und die damit verbundenen gesundheitlichen Gefahren umzusetzen ist.

Und plötzlich heisst es, die bisher sehr allgemeinen und unverbindlichen Forderungen in praktikable, realistische und politisch machbare Massnahmen umzuformulieren. Und plötzlich wird alles ziemlich komplex. Man ist sich einig über die Befunde und wüsste im Grunde, wo der Hebel anzusetzen wäre – aber sofort stellt sich die Frage nach der Umsetzung, nach den volkswirtschaftlichen Konsequenzen, wenn man zum Beispiel verlangt, dass „der Gesundheit förderliche“ Lebensmittel wie Früchte, Gemüse, naturbelassene Produkte etc. im Laden billiger sein sollen als die für eine „gesunde“ Gewichtskontrolle weniger zu empfehlenden, kaloriendichten, fettreichen und raffineirten Fabrikate der Lebensmitelindustrie…

Aber das, haben wir uns dann gesagt, darf uns jetzt noch nicht kümmern. Wir dürfen nicht der Gefahr erliegen, unsere Visionen aufzugeben, indem wir uns vorzeitig selber zensurieren. Man muss die Ziele klar und bestimmt stecken, die Hindernisse bei der Umsetzung werden ganz von alleine kommen. Es ist ein spannender Prozess, der hier begonnen hat.

PS: über die Faktenlage informieren die Ernährungspolicy für die Schweiz und das „Green Paper“ der EU-Kommission vom 8.12.05 (im Moment noch nicht aufgeschaltet, sorry)




8/1  Die Topfgucker

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 20:27

Die sonntagabendliche Verbrauchersendung „konsum.tv“ auf SF zwei wollte Fragen zur gesunden Ernährung nachgehen und stellte in einem originellen Filmbericht erste Resultate aus der Knorr-Studie vor, die Ende November in mehr als 12’000 Haushalten durchgeführt wurde und deren Auswertung in den nächsten Tagen veröffentlicht werden soll.

„Was gibt es zum Znacht?“ lautete die Frage, und bald zeichneten sich einige Favoriten ab: Fondue/Raclette, Pizza, Spaghetti und Café Complet sind die Sspitzenreiter der häuslichen Verpflegung am Abend. 20% (vorwiegend junge Familien) bereiten Fertigprodukte zu oder kaufen im Take-Away ein, ein Drittel der Befragten isst mehrmals pro Woche am Abend das Gleiche, während immerhin drei Viertel der Familien angaben, fünfmal pro Woche gemeinsam zu essen.

Interessant ist, dass 56% überzeugt davon sind, dass sie sich „gesund“ ernähren, während auf der andern Seite ein Drittel am Abend weder Gemüse noch Früchte essen und überhaupt mit dem Grünzeug wenig am Hut haben.

Im Studio sasen an einem Tisch verschiedene Testpersonen, welche die meistgenannten Abendmenüs vor sich hatten. Die eidgenössisch diplomierte Ernährungsberaterin und Verbandspräsidentin Beatrice Conrad kommentierte die Zusammenstellung der Speisen und die Bedeutung der einzelnen Lebensmittel für die richtige Ernährung.

Im Zusammenhang mit dem Fondue fiel ein folgenschwerer Satz, den sich Fondue-Fans hinter die Ohren schreiben müssten: „Alkohol hilft, das Fett aus dem Käse so gut wie möglich in die Fett-Depots und -Polster zu verteilen.“ Die Moderatorin staunte. Das hatte sie so noch nie gehört. Aber es ist leider eine Tatsache. Der von Fundue-Addicts so geliebte „coup du milieu“ führt dazu, dass der Körper als erstes die im Alkohol gelösten Kalorien verbrennt und das wertvollere Fett sorgsam an Lager nimmt…

Was kann uns, die wir auf unser Gewicht achten wollen, diese Studie lehren? – Es bleibt bei den vertrauten Tipps, die man eigentlich kennen würde, aber die im Alltag immer wieder unterlaufen werden: Nicht zu spät, nicht zu schwer, nicht zu fettig… und nicht ohne Gemüse. Aber (und da findet die Studie wieder zu sich selber) dieses ist ja inzwischen – wie wir aus der TV-Werbung wissen – zu 80% in den Knorr-Suppen. En Guete!




7/1  Dicke Kinder in der EU

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:52

Was dem mehr oder weniger regelmässigen TV-Zufalls-Gucker schon lange aufgefallen ist, das wird nun durch eine Studie bestätigt, die von der deutschen Herzstiftung im Dezember publiziert worden ist und auf die ich heute beim Surfen gestossen bin.

Auch bei uns haben Untersuchungen an Schulkindern gezeigt, dass mehr als ein Fünftel der Kids bereits übergewichtig sind, wie im restlichen Europa auch. In verschiedenen Ländern wurden – im Rahmen eines Projekts, das von 20 nationalen Herzstiftungen getragen und von der Europäischen Kommission finanziert wird – die verschiedenen Werbeträger und die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen analysiert und miteinander verglichen.

So wurde z.B. registriert, dass auf gewissen TV-Sendern pro Stunde bis zu 20 Werbespots gesendet werden, in denen für Lebens- und Genussmittel mit meist hohem Fett- oder Zuckergehalt geworben wird. Dabei werden Formen gewählt, die sich möglichst nah an die Erlebniswelt der Kinder halten. Das Fernsehen ist nach wie vor das einflussreichste Werbemedium, aber Sponsoring und Werbung in den Schulen nimmt im gleichen Masse zu, wie bei der öffentlichen Hand gespart wird. Erst im Aufbau befindet sich die Werbung im Internet.

Rechtliche Grundlagen, um die Kinder vor schädlichen Einflüssen der Werbung zu schützen, sind keineswegs einheitlich. In Norwegen und Schweden ist TV-Werbung, die sich an Kinder unter zwölf Jahren wendet, verboten. In vielen Ländern gibt es Ansätze zur freiwilligen Selbstkontrolle und zur Regelung durch entsprechende Gremien. Noch gar nicht oder kaum geregelt ist die Werbung im Internet.

Die Verfasser der Studie sind sich einig: Die Kinder müssen vor den aggressiven Marketingpraktiken der Lebensmittelindustrie geschützt werden. Und weil die meisten Programme grenzübergreifend verbreitet werden, ist eine europaweite Absprache zwingend. Eine Reihe von Forderungen werden aufgestellt:

– an Kinder gerichtete TV-Werbung für „ungesunde“ Lebensmittel soll verboten werden
– Massnahmen zum Schutz vor andern Werbeformen sind nötig
– es braucht eine gemeinsame EU-Definition für „ungesunde“ Lebensmittel
– es braucht wirksame Strukturen für die Kontrolle der Werbung

Den Verfassern der Studie ist klar, dass damit nur auf die „Input“-Seite bei der Energie-Balance eingewirkt wird und dass auch die regelmässige körperliche Bewegung der Kinder gefördert werden muss. Aber diese „europa-gemeinsame“ Erkenntnis ist ein guter Anfang!

Ich höre schon das Anti-EU-Zetermordio unserer vaterländischen Isolationisten. Und dass sie weniger Staat möchten. Und mehr Freiheit für den wirtschaftlichen Wettbewerb. Dass sie dafür unter anderem auch die Früh-Verfettung der Kinder und Jugendlichen in Kauf nehmen, steht in keinem Parteiprogramm.




6/1  Schmauen Sie?

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:40

„Nume nid gschprängt!“ – Das ist Berndeutsch. Nicht meine „direkte“ Muttersprache, denn meine Mutter stammte aus Zürich und hat (gottlob!) zeit ihres Lebens standhaft darauf verzichtet, einen ihr fremden Dialekt imitieren zu wollen. Aber es ist mein sprachliches Umfeld, in dem ich aufgewachsen bin und die erste Hälfte meines Lebens verbracht habe. Drum bin ich dem Idiom auch treu geblieben.

Trendmässig müsste man die drei Worte übersetzen: „Bloss keine Hektik!“ (Oder auch: „Kein Stress, Mann, ey!“). Und wenn sich das aufs Essen beziehen soll, dann eröffnen sich neue Perspektiven. Gerade nachdem nun die diversen Dreikönigskuchen verspeist sind, die „einfachen“, luftig-leichten, und die hochkomplexen aus der Premium-Confiserie, die gugelhupfig-kompakt sind und einen Haselnuss-Püree-Boden haben…

Vielleicht hat die Gewichstszunahme, der wir uns über die Festtage mutwillig ausgesetzt haben, auch etwas zu tun mit dem Tempo, in dem wir uns übers Essen hergemacht haben: Je schneller wir essen, desto grösssere Mengen bringen wir vom Tisch. Das Motto müsste heissen: „Langsam is(s)t weniger!“

Dafür gibt es zwei unterschiedliche Formeln: Sich selber genussvoll mit erlesenen Speisen verwöhnen, dem sagt man „Slow Food“. Das ist eine internationale Bewegung, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Menschen wieder zu sensibilisieren für echte, natürliche und auf tarditionelle Weise zubereitete Speisen, kein Fast-Food, kein „Techno-Frass“, keine emulgierten, stabilisierten und sterilisierten Lebensmitel, die ja gar nicht mehr leben und daher eigentlich „Gestorbenmittel“ heissen müssten… Der Präsident der Schweizer Slow-Food-Fraktion lebt in Zürich, ist ein begnadeter Koch, Gourmet und Weinkenner, und wer sich vornimmt, im neuen Jahr an sich weniger, aber immer noch gut zu essen, dem empfehle ich, diese Philosophie zu studieren.

Die andere Formel heisst „Schmauen“. Das ist nicht Berndeutsch und auch kein Druckfehler, sondern eine Wort-Kombination aus Schmecken und Kauen. Ältere Semester kennen die Technik unter dem Stichwort „Fletschern“: Man nimmt einen kleinen Bissen Nahrung in den Mund, speichelt ihn ein und kaut ihn so lange und gründlich, bis daraus ein feines Breilein, eine Flüssigkeit geworden ist, die nicht nur leichter verdaut werden kann, sondern auch viel rascher sättigt.

Magenband-TrägerInnen kennen diese Praxis auch. Sie ist verblüffend und eröffnet überraschende geschmackliche Perspektiven. Wenn man es einmal probewise versucht, ist man fasziniert. Nur: leider geht es damit wie mit vielen guten Vorsätzen: Man fasst sie, praktiziert sie testweise – und kommt dann irgendwann, früher oder später, doch wieder davon ab. – Versuchen wirs trotzdem mal?




5/1  Der vierte König

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:56

Noch im alten Jahr hat mich die eBalance-Redaktion angefragt, ob ich in meinem Bericht für den 6. Januar etwas zum Thema „Dreikönigskuchen“ schreiben könnte, dann müsste man sich im kulinarischen Teil nicht so ausführlich damit befassen.

Da ich als freundlicher Mensch natürlich zugesagt und den Auftrag ernst genommen hatte, machte ich mir so den einen oder anderen Gedanken und war dann heute etwas überrascht, als mir auf der eBalance-Homepage ein farbenfohes, gekröntes Backwerk entgegenstrahlte… auch wenn sich dahinter noch die diskrete Offerte versteckte, man wolle mich in der Kunst unterweisen, ebendieses Gebäck mit etwas weniger Kalorien selber herzustellen.

Das ist ein schwacher Trost! Denn auf meinen eigenen Königskuchen hat die Welt nicht gewartet. Im Gegenteil. Seit Tagen schon winken die überzuckerten Teigklopse aus allen Gazetten, lockt vielfältig die Möglichkeit, für einen Tag sich dem Prinzip der Monarchie zu verschreiben und kündigen Bürokolleginnen an, sie würden dann am Freitag noch beim Confiseur vorbeigehen…

Und es werden Erinnerungen wach, an innerfamiliäre Dramen, wenn sich kindliche Royalitäts-Sehnsüchte nicht erfüllten oder wenn das Regenten-Amt nur nachlässig verwaltet wurde.

Dabei gibt es diesen Brauch hierzulande so richtig erst wieder seit den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts, als findige Bäckersleute ihn aus der mittelalterlichen Versenkung holten, um das Geschäft nach den Festtagen noch etwas in Schwung zu halten. – Im geschichtlichen Dunkel verschwimmen die Ursprünge. Schon im alten Rom wurden durch das Los für kurze Zeit Könige bestimmt, in einem Fest zu Ehren des Saturn. Dieser Brauch verschmolz mit anderen und insbesondere mit der Geschichte von den drei Weisen aus dem Morgenland, die Magier oder Könige waren. Im Mittelalter verlor sich die Tradition, bis sie vor einem halben Jahrundert wieder belebt wurde.

Dabei ist es nicht einmal sicher, ob die Könige Kaspar, Melchior und Balthasar effektiv zu dritt waren. Diese Dreizahl ist eine spätere kirchliche Konstruktion inklusive Heiligsprechung. – Mir ist die „Legende vom vierten König“ sympathisch, wie Edzard Schaper sie einst beschrieben hat. Die Geschichte vom vierten, gemeinhin nicht bekannten König, der auf dem Weg nach Bethlehem seine ganzen Reichtümer an Arme und Bedürftige verschenkt hat, bis er zuletzt seine eigene Freiheit für einen Galeerendienst opferte, um dann 30 Jahre später mit dem erwachsenen Jesus zusammen zu treffen, den er einst in der Krippe verpasst hat.

Ein vielschichtiges Symbol, das man im Hinterkopf behalten kann, wenn man, vorsichtig tastend, in das süsse Teigbällchen beisst, mit der diffusen Hoffnung, man könnte ihn eventuell selber sein, diesen „vierten“ König für den einen Tag.




4/1  Sind wir eitler?

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 13:05

„Eitle Männer: Jeder Zwölfte steht täglich auf die Waage“ – Mit dieser Schlagzeile konfrontiert mich die Redaktion von 20 minuten in der S-Bahn quasi auf nüchternen Magen.

Es geht um eine Umfrage des Link-Instituts, das dieses im Auftrag der Coop-Zeitung bei gut 500 Personen durchgeführt hat: 9 Prozent aller SchweizerInnen steigen demnach täglich auf die Waage, um ihr Gewicht zu kontrollieren, 19 Prozent tun dies einmal pro Woche, Männlein wie Weiblein etwa gleich häufig.

Und dann wird gerätselt, was uns diese Werte sagen wollen… Der Schluss, dass (vor allem) die Männer es aus Eitelkeit täten, scheint mir reichlich an den Haaren herbei gezogen. Der statistische Befund überrascht mich eher in der anderen Richtung: Wenn man davon ausgeht, dass rund 40 Prozent der Bevölkerung „übergewichtig“ sind und demzufolge ein Interesse daran haben müssten, zu wissen, wie es um sie steht, dann sind die 9 Prozent der sich täglich Wiegenden bloss ein knappes Viertel dieses Potenzials!

Daraus wäre zu folgern, dass drei Viertel der Übergewichtigen sich um ihr wahres Gewicht foutieren bzw. dass bloss die Hälfte von ihnen sich einmal pro Woche wiegt. Und da eBalance-Blog-LeserInnen mehr wissen als andere (siehe meinen
Eintrag vom 7. Dezember 2005), ist uns auch klar, dass es für eine Gewichtsreduktion grundsätzlich förderlich ist, wenn man den Verlauf der Kurve täglich überprüft und so rechtzeitig die notwendigen Massnahmen (im Sinne des Mass-Haltens) ergreifen kann.

Dass Männer häufig auf die Waage klettern, komme – so mutmasst der 20minuten-Autor – daher, dass „Frauen heutzutage auf Waschbrettbäuche stehen“ würden… Auch hier, meine ich, unterliegt der junge Mann einem Irrtum. Der Waschbrett-Befund lässt sich mit Sicherheit anders überprüfen als mittels einer Gewichtskontrolle. Denke ich als einer, der dieses Phänomen (leider!) nur noch aus der Herrenunterwäschewerbung kennt.




3/1  Zischtigs Club

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:36

„Volkskrankheit Übergewicht“ als nachfesttägliches Diskussionsthema im „Club“ auf SF 1: ein Schüler, der in der Alpinen Kinderklinik Davos sein Ess- und Bewegungsverhalten unter Kontrolle gebracht und zu einem „normalen“ Gewicht und neuer Lebensqualität gefunden hat, der Chefarzt dieser auf übergewichtige Jugendliche spezialisierten Klinik, eine Ärztin, die mit einem Magenbypass erst in späteren Jahren ihr Übergewicht reduzieren konnte, ein auf Adipositas-Chirurgie spezialisierter Arzt, eine Ernährungspsychologin mit gewichtiger Vergangenheit und eine Betroffene, die alle Höhen und Tiefen einer Übergewichts-Karriere mit dem eigenen Leib durchlebt hat…

Eine Runde mir hoher Kompetenz aus persönlicher Erfahrung, die über den täglichen „Kampf um jedes Gramm“ reflektiert, den jene auszufechten haben, welche dank einer genetischen Voraussetzung (40 Prozent der Adipösen haben – so Chefarzt Bruno Knöpfli – diese genetische Veranlagung) quasi „reflexartig“ jede überschüssige oder nicht verbrauchte Energie in Form von Fett abspeichern.

Ein Sonderfall sind Menschen, die von einem klaren und messbaren genetischen „Defekt“ betroffen sind, was ihren Stoffwechsel betrifft, und bei denen eine psychologische Beratung und eine Kalorienreduktion nicht die „Lösung“ bringen können. Hier gilt die Erkenntnis, dass Adipositas eine unheilbare, chronische Krankheit ist, die auch durch einen chirurgischen Eingriff (Magenband oder Magen-Bypass) nicht „geheilt“ werden kann, sondern mit der man zu leben lernen muss, wobei die Operation eine wirksame und erprobte Unterstützung darstellt.

Mit deutlichen Worten stellt der Viszeralchirurg Rudolf Steffen diesen Sachverhalt klar: Um auf Dauer einen massiven Gewichtsverlust halten zu können, der zur Heilung von Begleiterkrankungen wie Bluthochdruck und Diabetes beiträgt, bietet die bariatrische Chirurgie bisher die sicherste Hilfe an. – Fragen zum politischen und gesellschaftlichen Umfeld wie Werbung für Dickmacher und unreflektiertes Konsumverhalten konnten in der Runde nur noch kurz gestreift werden. Aber mit erstaunlicher Einmütigkeit traten die Experten für mehr Aufklärung, klare Regelungen und Verbote ein. Es lohnt sich für Interessierte, die Zweitausstrahlungen auf SF info und auf SF zwei (am 7. Januar) zu verfolgen.