30/10  Selbstmanagement

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 15:36

Hilf dir selbst, so hilft dir Gott. Das Sprichwort stammt wohl aus einer Zeit, in welcher der Glaube an die Allmacht Gottes noch intakter war als heute. Und doch ist die „Selbsthilfe“ ein wesentlicher Faktor für Menschen, die mit einer Krankheit kämpfen, vor allem, wenn diese chronisch ist.

Im Rahmen der Strategie gegen nichtübertragbare chronische Krankheiten (NCD) hat das Bundesamt für Gesundheit BAG im Zusammenarbeit mit anderen Trägern zu einer Tagung eingeladen: Forum SELF – Good practice-Angebote zur Selbstmanagement-Förderung. Teilgenommen haben rund 120 Vertreterinnen und Vertreter von nationalen, kantonalen und kommunalen Gesundheitsbehörden, Patientenorganisationen, Krankenkassen, NGOs, medizinischen Fachgesellschaften und Selbsthilfe-Institutionen.

Zentrales Thema war die Förderung der Gesundheits-Kompetenz bei Betroffenen und deren Angehörigen. Vorgestellt wurden eine Reihe von Konzepten und Angeboten, die sich in der Praxis bewährt haben, hauptsächlich ausgerichtet auf die Thematik von Sucht und Psychischen Erkrankungen, aber auch anderer Krankheitsbilder wie Diabetes, COPD, Herzinsuffizienz und Selbstmord-Risiko.

In verschiedenen Workshops wurde über ausgewählte Modelle diskutiert, insbesondere auch unter dem Aspekt der nachhaltigen Finanzierung solcher Angebote, sowie der neuen technischen Möglichkeiten durch die Digitalisierung. Es war eine breit gefächerte, informative Palette, die eine Fülle von Anregungen und Impulsen bot. Einen tiefen Eindruck vermittelte ein Podiumsgespräch mit Betroffenen, die in berührender Offenheit über den Umgang mit ihrer Krankheit und die Hilfe berichteten, die sie in Selbstmanagement-Gruppen gefunden haben und die sie an andere weitergeben können.

Eine lobenswerte und wichtige Initiative, die viel Gutes bewirkt. Sie liess bei mir nur eine Frage offen: so hilfreich diese Angebote für die einzelnen Betroffenen sein mögen – wie sieht es mit der „Breitenwirkung“ aus? Wie viele Menschen können dadurch den Umgang mit ihrer Krankheit verbessern, gemessen an der totalen Anzahl der Betroffenen? Dargestellt an unserem eigenen Beispiel der Adipositas: da gibt es eine halbe Million von Erwachsenen, die an dieser Krankheit leiden. Und es gibt 25 Selbsthilfegruppen, die sie beim Selbstmanagement unterstützen können. In jeder dieser Gruppen sind im Schnitt 30 PatientInnen und Angehörige organisiert. Das sind 750 Leute, wenn es hoch kommt: 1’000. Das wären dann nach Adam Riese gerade mal 2 Promille.

Da gibt es noch Luft nach oben…




23/10  Fettschürze? – Prozessieren!

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 14:39

Sagt der Kassensturz. In einem Beitrag in der Sendung vom 21. Oktober ging es um die Frage der Wiederherstellungschirurgie nach massivem Gewichtsverlust. Geschildert wurde der Fall einer 31-jährigen Patientin, die nach einer Magen-OP 80 Kilo abgenommen hatte und nun unter den Folgen ihrer Fettschürze zu leiden hat. Nicht nur behindern sie die Hautlappen bei jeder Bewegung, es bilden sich überdies üble Gerüche und Entzündungen, die an heissen Tagen eine stündliche Pflege benötigen und ein soziales Leben ebenso unmöglich machen wie eine berufliche Aktivität, ganz abgesehen von der seelischen Belastung, die aus dieser Situation entsteht.

Die behandelnde Klinik hatte dreimal um eine Kostengutsprache für die Hautstraffung ersucht, diese war jedoch von der Krankenkasse Concordia immer wieder abgelehnt worden. Im Beitrag begründete der Kassen-Vertreter die Ablehnung mit der „strengen Rechtssprechung“ durch „sehr strenge Bundesgerichtsurteile“, welche es den Kassen verböten, „einfach so“ zu bezahlen.

Bei dieser zynisch-verlogenen Argumentation kommt einem die Galle hoch! Richtig ist, dass „kosmetische Schönheitsoperationen“ nicht zu den Pflichtleistungen der Kassen gehören. Und richtig ist, dass ein fatales Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahre 2006 zu ungunsten eines Patienten ausgefallen ist. Seitdem berufen sich zahlungsunwillige Kassen auf dieses Urteil. Wird jedoch bei einer Eingabe der „Krankheitswert“ durch die Kassenwarte als gegeben erachtet, können die Kosten für die Rekonstruktion übernommen werden. Dies ist immer wieder der Fall.

Es ist also nicht so, dass solche Eingriffe generell nicht bezahlt werden dürften. Vielmehr herrscht hier ein weites Feld der Willkür, dabei spielt unter anderem auch das Verhältnis zwischen dem Vertrauensarzt der Kasse und dem zuweisenden Mediziner eine Rolle. Und es ist auch nicht so, dass diese doch sehr gravierenden und grossflächigen Eingriffe „einfach so“ beantragt würden. Die Ausreden der ablehnenden Kassen sind schlicht skandalös.

Vor den Scheinwerfern und der Kassensturz-Kamera signalisierte der Concordia-Mann (wen wundert das?) Verständnis für den geschilderten Fall und anerbot sich, ein „unabhängiges Gutachten“ (was soll denn das sein? wer kann einen Fall besser beurteilen als der behandelnde Adipositas-Spezialist?) zu prüfen. Und schliesslich willigte man ein, 90% der Kosten für diesen Eingriff zu übernehmen… aber nicht etwa im Rahmen einer Kassenleistung, sondern zulasten der hauseigenen „Stiftung für Härtefälle“. Verlogener geht es nun wirklich nicht.

Ein Versicherungsexperte führte abschliessend aus, was vielen Betroffenen so nicht bewusst ist: gegen eine Kassen-Verfügung kann Einsprache erhoben werden. Bleibt dies ohne Wirkung, kann man den Gang an die Gerichte ins Auge fassen. Und dieser ist, entgegen einer weit verbreiteten Annahme, GRATIS und ohne weitere Kostenfolgen. Wer sich mit seinem Anliegen an das kantonale Versicherungsgericht wendet, bekommt in Härtefällen sogar einen unentgeltlichen Rechtsbeistand. Dies ist auch in einer Publikation (Download unten an der Website) des Bundesamtes für Gesundheit ausführlich dargelegt, in der auf alle Fragen zur obligatorischen Krankenversicherung eingegangen wird.

Wir von der SAPS prüfen nun die Möglichkeit, einen Formelbrief für solche Eingaben anzubieten. Wir bleiben dran.




16/10  Kinder abschreiben?

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 16:24

Nachtrag zum Welt-Adipositas-Tag. Der Mitteldeutsche Rundfunk hat einige Fakten zusammengestellt, die zu denken geben. Es geht dabei um übergewichtige und adipöse Kinder, deren Zahl weltweit explosionsartig zunimmt. Auffallend ist dabei, dass die Anzahl der betroffenen Kids in den Ländern mit hohem Einkommen zwar stagniert, aber auf viel zu hohem Niveau, während sie in „armen“ Ländern nach wie vor im Steigen begriffen ist.

Diese Kinder tragen eine schwere Last in ihre Zukunft und ihr Schicksal scheint nicht abwendbar zu sein, denn die Lebensmittelindustrie ist nach wie vor auf Wachstum gebürstet und die Politik weigert sich, griffige Massnahmen zur Regulierung von Missbräuchen zu erlassen. Das läuft alles still aber unaufhaltsam ab. Verhaltensänderungen auf freiwilliger Basis haben bis jetzt weltweit und flächendeckend versagt.

Irgendwie scheint mir diese Entwicklung parallel zu verlaufen mit dem, was wir von Seiten der „Klimaleugner“ in den sozialen Medien erleben. Die werden nicht müde, immer wieder einen sogenannt wissenschaftlichen Irrläufer zu zitieren, der angeblich den ultimativen Beweis geliefert hat, dass das mit der Klimakatastrophe gar nicht wahr ist… Und überhaupt, das ist dann das Totschlag-Argument, sei die Schweiz ja ein so kleines Land, dass wir ohnehin keine Chance hätten, etwas zur Errettung des Klimas beizutragen, da könnten wir es doch ebenso gut bleiben lassen.

Wer so hirnverbrannt argumentiert, könnte ja auch sagen: mein Beitrag als Einzelner ist noch viel kleiner, wozu sollte ich also mein Verhalten ändern, das macht ja eh noch viel weniger aus. Und wenn alle so denken…

Klar, Klima und Übergewicht sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Das eine betrifft die Person als Individuum und ihre gesundheitliche Zukunft, das andere betrifft uns alle und die Welt insgesamt und die Zukunft unserer Nachfahren. Aber die Mechanismen scheinen mir doch vergleichbar: in beiden Fällen ist es dringend nötig, von vertrauten Gewohnheiten abzulassen, Mässigung zu halten, Verzicht zu üben, bewusste Achtsamkeit zu pflegen und sich zu beschränken. Und wer macht das schon gerne freiwillig?

Die Kinder haben in beiden Fällen keine Wahl, wenn die Erwachsenen sie abschreiben.




15/10  Rotwild

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 17:01

Tue Gutes und rede darüber. Oder lass darüber reden. Diese Maxime hat der deutsche Lebensmittel-Discounter Netto beherzigt, als er eine Werbekampagne startete für die Tatsache, dass in seinen Filialen Früchte und Gemüse ohne Plastik-Verpackung verkauft werden.

Auf Plakaten und in Inseraten sind Models als „Verkäuferinnen“ zu sehen, die selber „ohne Verpackung“ sind, im Evaskostüm also, ihre natürliche Blösse lediglich mit Gemüse oder Früchten notdürftig bedeckt… Glücklicherweise handelt es sich dabei um Äpfel und Tomaten, Heidelbeeren wären riskanter gewesen.

So löblich die Absicht mit dem Plastik-Verzicht auch ist – die Aktion hat umgehend einen Shitstorm ausgelöst und der Firma in den sozialen Medien Schmähungen eingebracht, vorwiegend den Sexismus-Vorwurf. Das gehe dann etwa gar nicht und sei ganz sicher kontraproduktiv.

Ich weiss nicht. Angesichts der aktuellen Überschwemmung aller Lebensbereiche mit einschlägigen Bildern, Texten und Videobotschaften wirken die Netto-Frucht- und Gemüse-Models auf mich eher dezent. Mag man sich darüber aufregen?

Mit kommt dabei ein Ausspruch meiner Mutter in den Sinn. Vor vielen Jahren, als in Bern das Nachtlokal „Mocambo“ mit Striptease-Darbietungen eröffnete, entbrannte in der Presse eine heftige Kontroverse und der moralische Untergang nicht gerade des Abendlandes aber doch zumindest des Bernbiets wurde heraufbeschworen. Da sagte meine Mutter mit entwaffnender Offenheit: „Ich weiss gar nicht, was die Leute haben. Eine nackte junge Frau ist doch etwas Schönes – wie ein Reh!“

Damals war „Sexismus“ allerdings noch kein Kampfbegriff…




14/10  Zucker-Woche

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 16:50

Wissenswertes hörbar gemacht. Das ist die Aufgabe des Radios, den Menschen Informationen vermitteln, die sie in ihrem Alltag betreffen und ihnen – wenn möglich – weiterhelfen.

Dieser Tage greifen die Sender von Radio SRF das Thema Zucker in unseren Lebensmitteln auf. Den Auftakt machte eine stündige Sendung in der Rubrik Input auf SRF3. Der fachliche Input dazu kam vor allem von der Ärztin und Wissenschafterin Bettina Wölnerhanssen, welche am Basler Claraspital die Auswirkungen des Süssstoffes auf unseren Stoffwechsel, unsere Organe und unsere Gesundheit erforscht. Gestreift wird dabei auch der landwirtschaftliche Komplex der inländischen Zuckerproduktion sowie das Wirken der „Zuckerlobby“ im parlamentarischen Betrieb. Eine durchaus hörenswerte Produktion.

Nicht erwähnt wurde dabei allerdings die Tatsache, dass nicht in erster Linie unsere Zuckerrübenbauern etwas dafür können, dass wir massiv zu viel des „weissen Gifts“ konsumieren, sondern dass vor allem auch der billige Zucker-Import im grossen Stil eine Rolle spielt, verschärft noch durch das hängige Mercosur-Freihandels-Abkommen…

Fazit: Zucker ist kein Grundnahrungsmittel. Er ist ein Genussmittel. Eine Droge. Und sollte entsprechend verteuert und nur in kleinen Dosen genossen werden. Schlechte Nachrichten für Schleckermäuler.




11/10  World Obesity Day

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 15:53

Es gibt „Welt-Tage“, die füllen ganze Zeitungsseiten. Nicht so der Welt-Adipositas-Tag, der heute auf dem offiziellen Kalender steht. Der hat sich bis jetzt unauffällig tief unter dem Radar all der Zeitungen und ihrer Redaktionen gehalten, die ich heute gelesen und nach einem Hinweis abgesucht habe. Ein paar schüchterne Memes auf facebook sind alles, was ich bis jetzt finden konnte.

Zum Glück hat sich einer unserer Sponsoren, die Firma Johnson&Johnson mit ihrer Sparte für das Zubehör zur bariatrischen Chirurgie, des Themas angenommen und uns eingeladen, einen Text zu verfassen, den sie als Sponsored-Content in verschiedenen medialen Plattformen publizieren lassen. Ich nutze die aktuelle Gelegenheit, um meine Ausführungen auch hier zu veröffentlichen:

Übergewicht! Selber schuld?

Falsch: Adipositas ist eine chronische Krankheit.

Zum Welt-Adipositas-Tag (11.10.19): vom lebenslangen Kampf gegen den eigenen Körper

Noch immer nimmt die Zahl der übergewichtigen und adipösen (fettleibigen) Menschen weltweit zu, trotz intensiver Anstrengungen der Gesundheitsbehörden. Das Übermass an Körpergewicht ist quasi ein Kollateralschaden unserer Zivilisation, unseres Wohlstandes. Wir ernähren uns zu üppig und mit Lebensmitteln, die unseren Stoffwechsel negativ beeinflussen (z.B. Zucker) und wir bewegen uns nicht mehr ausreichend.

Falsche Schönheitsideale verleiten uns zu fatalem Essverhalten, Fast-Food und von der Industrie aufgepeppte Fertiggerichte enthalten Stoffe, deren Langzeitwirkung erst langsam erkannt wird: sie beeinflussen unser Sättigungsgefühl und damit auch unser Essverhalten, das sich einer Kontrolle durch den Willen entziehen kann, wenn erst einmal das gesunde Mass an Körperfett überschritten ist. Stress und Schlafmangel begünstigen eine Gewichtszunahme.

Übergewicht hat verschiedene Ursachen: zum Teil ist es genetisch bedingt, durch unsere Umwelt und unsere Lebensweise (Lifestyle) wird es begünstigt, wenn die entsprechende Veranlagung vorhanden ist. Auch psychosoziale Faktoren spielen eine Rolle, dies vor allem bei Kindern und Jugendlichen, die deswegen gemobbt und ausgegrenzt werden und Trost wiederum nur beim Essen finden.

Adipositas ist eine chronische Erkrankung mit fatalen Begleiterscheinungen wie hoher Blutdruck (der die Nieren schädigt), Diabetes Typ 2, verschiedene Krebs-Varianten, Gelenk-Schäden, Schlaf-Apnoe, etc. Chronisch heisst: Adipositas ist grundsätzlich nicht heilbar. Man kann zwar sein Gewicht reduzieren, aber die Voraussetzungen bleiben, dass die Pfunde über kurz oder lang wieder zurückkehren, denn nach dem Abnehmen ist man nicht «geheilt», im Gegenteil: bei jeder Diät stellt sich der Organismus auf eine reduzierte Energiezufuhr ein und drosselt den Verbrauch, so dass der berüchtigte Jojo-Effekt eintritt, sobald man sich wieder «normal» ernährt. Die «Wunderpille» gegen Übergewicht wurde noch immer nicht erfunden.

Das heute am besten erprobte Mittel zur dauerhaften Gewichtsreduktion ist der operative Eingriff am Magen-Darm-Trakt (Magen-Bypass, Schlauchmagen), aber auch die bariatrische Chirurgie (so der Fachbegriff) bringt keine Heilung, sie stellt lediglich eine Krücke dar, die es den Betroffenen erleichtert, mit ihrer Krankheit umzugehen. Aber sie bedingt eine lebenslange, konsequente Umstellung des Essverhaltens und eine lückenlose Einhaltung der ärztlichen Auflagen, zu der sich die PatientInnen verpflichten müssen.

Deshalb ist Prävention das Gebot der Stunde: Information und Aufklärung, aber auch gezielte Massnahmen (wie z.B. eine Zuckersteuer oder die Lebensmittel-Ampel), um zu verhindern, dass sich bei Menschen mit entsprechender Veranlagung überhaupt erst Übergewicht und Adipositas herausbilden können. Wer betroffen ist (BMI grösser als 30) soll sich nicht scheuen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen (weitere Informationen: www.saps.ch ). Der simple Spruch von «weniger essen und mehr bewegen» greift zu kurz. Und die Diffamierung und Diskriminierung der Betroffenen kommt leider immer noch viel zu häufig vor.

Heinrich von Grünigen, Dr. med. h.c.
Präsident der Schweizerischen Adipositas-Stiftung SAPS
www.saps.ch




3/10  Gemeinsam gegen Adipositas

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 14:40

In einer Woche ist der Welt-Adipositas-Tag. Im Blick darauf wurde in Deutschland – zunächst in Nordrhein-Westfalen, mit Pilot-Charakter – eine Aktion lanciert, die beispielhaft ist. Sie segelt unter dem Label „Initiative Gesundgewicht“ und tritt einerseits mit Plakaten, aber auch mit einer sehr schön gestalteten Website an die Öffentlichkeit.

Es ist eine eindrückliche Sensibilisierungs-Kampagne, die in der nach wie vor von Vorurteilen beherrschten Gesellschaft um Verständnis und Akzeptanz für Adipositas-Betroffene wirbt und gleichzeitig den Betroffenen selbst eine Fülle von Informationen bietet: über die Ursachen der Krankheit, therapeutische Möglichkeiten, wo und wie Hilfe gefunden werden kann, gipfelnd in der eindringlichen Ermutigung, professionelle Hilfe zu suchen und nicht der Versuchung zu erliegen, mit dubiosen Diäten und haltlosen Heilsversprechungen die Krankheit erst recht zu befördern.

Die Initiative ist Provokation und moralischer Appell zugleich, aber auch eindringlich und berührend, in den zahlreichen Statements von Betroffenen, die sich zu ihrer individuellen Situation äussern und zeigen, wie sie mit ihrem Betroffensein umgehen. Geplant ist, diese Bewusstmachungs-Aktion zunächst auf ganz Deutschland, allenfalls später international auszuweiten. Ein grosser Erfolg auf allen Ebenen ist ihr zu wünschen. Es wäre schön, wenn es ein Schweizer Pendant gäbe.




30/9  Kommt nun Nutri-Score?

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 16:35

Die Spannung steigt. Nachdem bei uns sowohl die Konsumenten-Organisationen als auch praktisch alle Gesundheitsligen, die ein Interesse an ausgewogener Ernährung haben und zahlreiche medizinische Fachverbände sich zugunsten des französischen Systems für die Nährwert-Deklaration ausgesprochen hatten, hatte auch das zuständige Bundesamt sich zu dessen Einführung bekannt, wenn auch unter dem – hierzulande obligaten – Vorbehalt der Freiwilligkeit. Einzelne Anbieter sind an einer Übernahme des Labels interessiert. Nicht so die Grossverteiler Migros und Coop, die sich bedeckt halten, und gar nicht der Verband der Lebensmittelhersteller, die eigens eine PR-Agentur zur Abwehr des grün-gelb-roten Ungemachs einsetzten…

Erwartungsvoll blickten wir nach Deutschland, wo die Ernährungsministerin ein Institut beauftragt hatte, sowohl Nutri-Score als auch einige andere Label-Systeme auf ihre Akzeptanz bei der Bevölkerung hin zu testen, mit der Option, eventuell ein ganz anderes Modell, eine Eigenentwicklung einzuführen. Heute nun wurde der Schlussbericht zu dieser Abklärung publiziert. Demnach ist Nutri-Score als klarer Sieger aus der Konsultation hervorgegangen.

Eine überwältigende Mehrheit der Befragten befürwortet die Einführung eines verständlichen und aussagekräftigen Ernährungs-Labels. Von den verschiedenen Systemen wurde Nutri-Score mit Abstand am besten bewertet. Diese und zahlreiche weitere Informationen gehen aus einem zusammenfassenden Bericht der Hamburger Verbraucherzentrale hervor. Eine offizielle Entscheidung der Ernährungsministerin steht zwar noch aus, aber es ist nicht anzunehmen, dass sie dieses Resultat ihrer Enquete ignorieren und ein anderes System einführen kann. Dadurch kommen unsere Zauderer unter Zugszwang. Wer seine Produkte auch in Deutschland anbieten will, wird sich nicht länger um Nutri-Score drücken können. Für einmal erweist sich der Markt-Druck als hilfreich.




26/9  Jetzt kommt die Jungfrau-Diät

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 13:41

Sie nennt sich Virgin-Diät. Und zwar deshalb, weil ihre Erfinderin so heisst: JJ Virgin ist Ernährungs- und Fitnessexpertin und ihr Buch, in dem sie ihre Diät beschreibt, ist in den USA ein Bestseller. Geworben wird mit mit einem auffälligen Versprechen: in sieben Tagen sieben Pfund abnehmen! Und überdies, so die Anpreisung, den Körper befreien von einer Reihe Unverträglichkeiten und Beschwerden, unter denen er zu leiden hat.

Wie soll das gehen? Die Virgin-Methode heisst: Verzicht. Verzicht auf eine ganze Reihe von Lebensmitteln, die dazu neigen, den Stoffwechsel zu belasten. Dazu gehören vor allem Zucker und Süssstoffe, glutenhaltige Esswaren, Soja, Milchprodukte, Eier, Mais, Ednussbutter… Und genossen werden sollen gut verträgliche Früchte und Gemüse, mageres Fleisch, „gute“ Fette und Oele…

Dadurch, dass während jeweils sieben Tagen abwechselnd die eine oder andere Nahrungsmittel-Gruppe komplett weggelassen wird, soll herausgefunden werden, wie der Stoffwechsel auf die einzelnen Angebote reagiert, was besonders gut verträglich ist und was zu Komplikationen und  Beschwerden führt…

Das Online-Portal „fit-for-fun“ hat diese Diät durch eine Ernährungs-Fachfrau beurteilen lassen und kommt zum Schluss, dass es sich dabei um ein durchaus praktikables Modell handelt, das vor allem dazu dienen kann, die optimale eigene Ernährung zu ermitteln und dass dabei die Gewichtsabnahme nicht so sehr im Vordergrund steht. Also möglicherweise eine interessante Option für Leute, die schon alles probiert haben… ohne Erfolg.




25/9  So dick ist Amerika

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 16:12

Die Zahlen sind erschütternd. Jährlich wird in USA der Anteil Adipositas-Betroffener an der Gesamtbevölkerung ermittelt. Diese hat inzwischen ein neues Rekord-Hoch erreicht und beträgt im Schnitt 35 Prozent. Dieser Wert variiert von Staat zu Staat, zwischen 23 und 39,5 Prozent, wobei bereits in 9 Staaten der Schnitt von 35 Prozent überschritten wird. (Zum Vergleich: in der Schweiz sind aktuell 12 Prozent der Erwachsenen adipös.)

Besondere Aufmerksamkeit gilt den Kindern und Jugendlichen: dort sind die Unterschiede je nach ethnischer Herkunft unterschiedlich. Bei den Latino-Kids sind 25,8 Prozent adipös, bei der afro-amerikanischen Jugend sind es 22 Prozent, die weissen Kinder sind zu 14 und die asiatischen zu 11 Prozent adipös.

Berichtet wird im Report „The State of Obesity 2019“ auch über die ergriffenen Massnahmen zur Eindämmung der Adipositas-Epidemie. Auch hier zielt der Focus in erster Linie auf den Nachwuchs. Genannt werden u.a. Steuern auf Süssgetränken, Einschränkung der an Kinder gerichteten Werbung für Süsswaren, Regulierung des Lebensmittel-Marketings, Promotion von Früchten und Gemüse, Motivation zum Stillen der Säuglinge und Reduktion des Fettgehaltes in industrieller Babynahrung. Gefordert wird zudem eine effizientere Aufklärung und Information, die Schaffung einer architektonischen Umwelt, welche körperliche Bewegung fördert sowie Anstrengungen, um zu verhindern, dass die Lobby der Lebensmittelindustrie entsprechende Ansätze bei der Gesetzgebung schon im voraus torpediert und verhindert…

Irgendwie kommt einem das nicht unbekannt vor. Auch auf dieser Seite des Atlantiks sind wir – wenn auch (noch) auf einem tieferen Niveau – mit vergleichbaren Problemen konfrontiert. Wir sollten den „Rückstand“, den wir noch haben, nutzen.