21/3  Ein Hauch von Lust

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:38

Vor dreiviertel Jahren habe habe ich hier über Versuche geschrieben, per Spray oder so eine bestimmte Geschmacksempfindung zu simulieren, damit bei aufkommenden Gelüsten ein kaloreinfreier Genuss möglich würde, der ohne spätere Reue und ohne Frust das Wohlbehagen der Erfüllung einlösen könnte.

Nun ist dieser Genuss auf dem Markt. Er heisst Le Whif und sieht aus wie eine kleine Knallpetarde oder ein etwas gross geratener Lippenstift. Man setzt ihn an den Mund und inhaliert – und schon strömt der gewählte Gout aromatisch an den Geschmacksknospen und den Schleimhäuten vorbei… Völlig kalorienfrei, aber vom Empfinden her befriedigend, wenn man den Berichten glauben darf. Zuerst gab es die Röhrchen mit dem Schokoladengeschmack, dann kam Kaffee (mit den Koffeingehalt einer Tasse Espresso), zudem die Schoko-Varianten mit Himbeer und mit Pfefferminz.

Der Name leitet sich wohl her vom englischen Wort „whiff“, das als Verb soviel bedeutet wie paffen und als Hauptwort soviel wie Hauch. Ein einzelnes Röhrchen kostet drei Dollar und wenn man vorsichtig einzieht, kann man es bis neunmal benutzen. Die Nachfrage nach dem Simulationsprodukt soll enorm sein, zumal es sich offenbar nicht um künstliche Aromen handelt, sondern um so kleine Partikel der effektiven Substanz, dass diese von der Luft mitgetragen werden und sich in der Mundhöhle direkt als intensiver Geschmack manifestieren.

Ich habe das Zeug noch nicht probiert. Im Lauf des Jahres soll es nach England kommen. Dann ist es bis zu uns nicht mehr weit. Aber irgendwie ist mir die Vorstellung sympathischer, einen tüchtigen Happen eines Lindt-Gold-Osterhasen auf der Zunge zergehen zu lassen, als mir diesen durch die Nase zu whiffen…




20/3  Lenkung wirkt

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:28

Vor drei Jahren erliess die Londoner Gemeinde Waltham Forest eine Planungsrichtlinie, nach der es nicht mehr gestattet war, im Umkreis von knapp 400 Metern von Schulen einen Fast Food-Verkauf zu eröffnen. Gleichzeitig wurde an den Schulen selber gesündere Kost angeboten. Drei Jahre später ist die Bilanz poitiv: Die Anzahl der übergewichtigen Unterstufenschüler ist – wie der London Evening Standard berichtet – von ehedem 22,6 auf 20,8 Prozent gesunken.

Der Adipositas-Beauftragte der lokalen Behörde, Dr. David Haslam, gibt zu bedenken, dass dies ein wichtiger Meilenstein im Kampf gegen die Übergewichts-Epidemie ist, dass Kritiker die Massnahme zwar als zu dirigistisch bezeichnet hätten, dass aber der Gewinn die Wahl der Mittel durchaus rechtfertige und dass ein bisschen Dirigismus besser sei als ein allzu liberales Laissez-faire. Es wäre eine Lektion, die sich unsere Anhänger der IG Freiheit, die sich gegen jede gesundheitspräventive Regelung aufbäumt, gründlich hinter die Ohren schreiben sollten.




19/3  Fette Boni und so

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:17

Es ist ein diffuses Unbehagen, das mich beschleicht, wenn ich in der ARENA höre, mit welcher Verachtung die Votanten von den „fetten“ Boni sprechen. „Fett“ ist voll dabei, zum hassbesetzten Unwort zu werden. Noch vor kurzer Zeit stand der Begriff „vollfett“ für höchstes Lob und Anerkennung, so à la „Super der Extraklasse!“ In der Musik wummerten die „fetten Bässe“ und niemand dachte sich was Schlechtes dabei.

Zugegeben, es sind nicht nur die Boni und die Abzockerei, die den Begriff „fett“ in Misskredit gebracht haben. Es ist auch die orchestrierte Hatz der Gesundmenschen auf alles was fett und dick ist, als wäre dies allein schon ein Verbrechen am wohlproportionierten Volkskörper… dabei hat in der sprachlichen Frühgeschichte das Wort „dick“ einmal einfach „viel“ bedeutet, völlig wertfrei.

Bleibt zu hoffen, dass nach der ganzen Aufgeregtheit wieder Ruhe und Bedacht einkehren, und dass „fett“ und „dick“ wieder zu sachlich neutralen Adjektiven werden, die man ohne Hintergedanken aussprechen und schreiben kann.




18/3  Sidibe forever

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 15:23

Nun haben wir Übergewichtigen wieder eine Hollywood-Ikone, eine Sympathieträgerin, auch wenn sie am Oscar vorbeigeschrammt ist: Gabourey „Gabby“ Sidibe spielt im Film Precious. Sie ist schwarz, 26 Jahre alt und stark adipös. Sie spielt eine 16jährige, die von ihrem Vater vergewaltigt und von der Mutter misshandelt wird, eine tragische Heldin auf der Suche nach ihrem Platz im Leben.

Nach ihrer Oscar-Nomination ist in den US-Medien ein heftiger Disput entbrannt: während die einen sie überschwänglich für ihre Performance lobten, warfen die anderen ihr Talentlosigkeit vor: Sie sei allein durch ihre Unförmigkeit aufgefallen und hätte nichts zu tun gehabt ausser sich so zu zeigen, wie sie war, sie sei quasi mehr ein Requisit gewesen als eine Schauspielerin… Dies wiederum brachte ihr Unterstützung von prominenten Kolleginnen.

Auch eine Schlankheitsfirma profilierte sich, indem ihr ihre Dienste anbot, unter Hinweis auf die gesundheitlichen Gefahren, die ihr Gewicht mit sich bringe… Diese Offerte habe zu einer massiven Umsatzsteigerung geführt und gleichzeitig eine Debatte darüber ausgelöst, wie „normal“ Übergewicht in USA inzwischen geworden sei – oder nicht.

Gabby jedenfalls ist auf das Angebot nicht eingegangen, sie will ihre Karriere als gewichtige Schauspielerin fortsetzen.




17/3  Keine Euro-Ampel

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 14:04

Rückschlag für alle Ampel-Fans, die gehofft haben, aus der europäischen Regulationsfabrik möchte noch ein Impuls kommen, für die Lebensmittel-Deklaration doch auf die Ampel zu setzen: Das Europa-Parlament hat eine entsprechende Vorlage zurückgewiesen und relativ lockere, flexible Vorgaben beschlossen. Auch wurde eine europaweite Einheitslösung verworfen, den Mitgliedländern wird eine individuelle Ausgestaltung – zusätzlich zu den minimalen EU-Standards – gestattet.

Verbindlich festgelegt wurde, dass die Werte deklariert werden müssen für Fett, gesättigte Fettsäuren, Kohlenhydrate, Zucker und Salz, zudem sollen auch zugefügte Proteine, Nahrungsfasern und natürliche wie künstliche Transfette deklariert werden; besonders hervorzuheben ist der Kalorien-Wert, sowohl pro 100 Gramm (bzw. ml) wie pro Portion (das allerdings fakultativ). Weitere Bestimmungen gelten den Hinweisen auf Nano-Materialien, der Schriftgösse im Blick auf die Lesbarkeit (mindestens 3 mm) und der Deklaration von „imitierten“ Lebensmitteln.

Damit die Lebensmittelindustrie diese Vorgaben in ihre Produktionszyklen einbauen kann, wurde eine Umsetzungsfrist von 3 bis 5 Jahren festgelegt. Wer sich eine rasche Klärung des Deklarationen-Wirrwarrs erhofft hat, findet sich nun im Wartsaal der Weltgeschichte wieder mal auf der langen Bank und tut gut daran, sich mit Geduld zu wappnen.




16/3  Klima retten

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 14:56

Es klingt wie der utopisch-fromme Wunsch eines realitätsfernen Weltverbesserers, und doch ist der Aufruf ernst gemeint. Er stammt vom obersten Gesundheitsbeamten Englands, Liam Donaldson. Wenn wir – so Donaldson – weniger tierische Nahrungsmittel konsumieren würden, wäre das nicht nur gut gegen die Klima-Erwärmung, sondern auch gut für die Gesundheit der Menschen.

Der Zusammenhang zwischen unserem Milch- und Fleischkonsum und der Umwelt-Problematik wurde in den letzten Jahren heftig diskutiert. Es ist erwiesen, dass durch die Viehzucht weltweit 80 Prozent der Treibhausgase verursacht werden und dass die gesättigten Fettsäuren aus dem „roten“ Fleisch wesentlich mit den Herzkreislauf-Risisken der modernen Gesellschaft verbunden sind. Verschiedene Umweltorganisationen, so der WWW, haben Massnahmen gefordert und zu einem „fleisch-freien“ Tag pro Woche aufgerufen. Nun hat der britische Oberarzt in seinem jährlichen Bericht zum Gesundheitszustand der Nation die Thematik aufgegriffen. Seine Botschaft: Mit dem Essen heizen wir unseren Planeten auf. Wir gefährden auch unsere Gesundheit. Es ist schwierig, Essgewohnheiten zu verändern; wenn es uns aber gelänge, könnten wir die Klima-Veränderung aufhalten und zudem etwas für unsere Gesundheit tun. Das sind umstrittene Massnahmen, aber sie wären es wert, offen diskutiert und in ihren Auswirkungen abgewogen zu werden.




15/3  Eine dicke Geschichte

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 21:49

Alle reden vom Abnehmen – aber SIE möchte zunehmen: Donna Simpson ist wild entschlossen, sich bis in zwei Jahren auf 500 Kilo hochzufuttern und die dickste Frau der Welt zu werden. Zu diesem Zweck mampft sie pro Tag 12’000 Kalorien in sich hinein, damit legt sie täglich wohl mehr als anderthalb Kilo zu. Sie hat eine Webcam installiert, so dass man ihr übers Internet beim Essen zusehen kann, gegen Bezahlung. Das „Geschäft“ floriert, pro Monat kassiert sie von ihren vorwiegend männlichen Zuschauern mehr als 3000 Franken. Die 42jährige lebt in New Jersey und wiegt zurzeit 273 Kilo.




14/3  Schichtwechsel

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:27

Wenn du etwas hast, von dem du nicht weisst, was es ist, dann wird es nicht lange dauern, bis die Forschung einen passenden Namen dafür gefunden hat… und bald kommt dann auch das Medikament, das zum Namen passt, auf den Markt. So geschehen vor einigen Jahren mit dem Reizdarm. Unsereins hielt sich früher an Luther und hat gelegentlich unüberhörbar aber fröhlich gefurzt, ja, es hiess sogar, dass sich dadurch mindestens fünf Franken an der Arztrechnung einsparen liessen… aber dann wurde daraus eine wahrhaftige Krankheit, bis hin zur Kassenpflicht.

Nun haben findige Forscher nachgewiesen, dass die Häufigkeit, an Reizdarm zu leiden, deutlich zunimmt, wenn Menschen in unregelmässigen Schichten arbeiten oder gar häufig die Schicht wechseln. Das hat eine Studie an Krankenschwestern ergeben, wobei offen bleibt, ob es die Schicht oder deren Wechsel an sich ist, was das Phänomen gehäufter auslöst, oder ob die Probandinnen in bestimmten Schicht-Einsätzen einfach keine Gelegenheit hatten, sich so gesund zu ernähren wie jene, die nur tagsüber arbeiteten. Wer sich an die Übungen im Militär erinnert, weiss noch, wie improvisiert man oft in der Nacht aus kalten Büchsen ass und wie sehr der Quartiermeister gelobt wurde, wenn er eine warme Kochkiste heranschaffte…

Trotzdem: Inzwischen ist der Reizdarm ja wieder aus der TV-Werbung verschwunden, clevre Werber haben statt dessen das unverfänglichere (und positiv besetzte) Wellensswort vom Bauchwohlgefühl erfunden, das glücklicherweise an die Einnahme eines bestimmten Joghurtprodukts gekoppelt ist… man könnte ja für die Nachtschicht einfach so einen Joghurtautomaten aufstellen.




13/3  Pizza-Markt

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:24

Der Kunde bestimmt den Markt. Gerne möchten wir das glauben, und dass etwas dran sein könnte, das zeigt ein aktuelles Beispiel aus New York. Es geht um Domino-Pizza. Die Firma ist international tätig mit Niederlassungen allüberall, auch in unserer Nachbarschaft gibt es eine davon. Aus Neugierde haben wir damals mal einige bestellt, als die Filiale aufging, aber es war das erste und das letzte Mal: der Teig hatte die Konsistenz von Karton, der Geschmack war fade, der Belag trocken…

Offenbar waren wir mit unserer Kritik nicht allein. In andern Ländern tönte es ähnlich. Nun liest man, dass die Hersteller in New York die Kundenkritik ernst genommen und die Rezepte angepasst haben. Die Sauce wurde neu gemixt, Käse kam dazu und in den Teig wurden Kräuter eingearbeitet. Mit einer Werbekampagne wurde der Relaunch begleitet: In TV-Spots sah man, wie die Domino-Leute von Haustür zu Haustür gingen und mit Lob überschüttet wurden… und die Neuerung zahlte ich aus: Im ersten Vierteljahr hat sich der Gewinn mehr als verdoppelt.

Möglicherweise – mutmassen Beobachter – spielt die Neugierde auch hier eine Rolle, manche mögen sich gesagt haben, probieren wirs doch mal… Aber ob sie wirklich zufrieden waren und der Firma auch in Zukunft die Treue halten werden, muss sich erst noch weisen. Wichtig für uns ist es aber, zu wissen, dass Reaktionen und Feedbacks der Kundschaft offenbar doch etwas nützen und dass wir, wenn wir es richtig machen, am Markt unsere Macht wirken lassen könnten.




12/3  Energie-Balance

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:45

Leoluca Criscione, früherer Forschungsleiter bei Novartis, auf der Suche nach der ultimativen Schlankheitspille, hat eine Ernährungsberatungsstelle eröffnet, seit die Pharmafirma ihre entsprechenden Forschungen eingestellt hat. Ihr Name ist Programm: MangiaSano.

Die Quintessenz seiner Aktivitäten im Dienste einer bewussten Ernährung hat er in einem Buch zusammengefasst mit dem provokanten Titel Gesund essen und dick sterben. Ich bin dabei, mich durch das Buch zu lesen, um es in der nächsten Ausgabe unseres Magazins zu rezensieren. Ein Viertel habe ich bereits geschafft. Es liest sich leicht, ist für jedemann und jedefrau geschrieben, in einfachen Worten, mit vielen Illustrationen und grosszügiger Darstellung.

Die Botschaft – soviel habe ich bis jetzt mitbekommen – ist im Grunde einfach: es gibt keine „guten“ und keine „schlechten“ Lebensmittel, keine „gesunden“ und keine „ungesunden“… es kommt allein auf die Menge an, die man davon verzehrt. Bringt diese mehr Kalorien (also Energie) als man verbraucht, so nimmt man zu. Dem Körper (bzw. dem Organismus) ist es schnurzegal, ob diese Energie aus „für gut befundenen“ Speisen stammt oder aus Junk-Food. Und dazu gilt es herauszufinden, wieviel Energie dieser Organismus pro Tag verbrennt, ob er auf grosser oder auf kleiner „Flamme“ läuft. Wenn es gelingt, die beiden Faktoren Input und Verbrauch in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen, kann nichts schief gehen.

Ich denke, so weit ist alles klar und man kann einverstanden sein… noch habe ich aber nichts gelesen über die Mechanismen der Sättigung, die wesentlich darüber bestimmen, „wieviel“ wir essen; nichts zum Thema Kaloriendichte vs. Nahrungsvolumen; und auch nichts über die seelischen Komponenten, welche das Essverhalten vieler Menschen nachhaltig verändern können. Ich bin gespannt, ob das noch kommt. Die Lektrüre ist bis jetzt anregend.