11/5  Dünn, aber traurig

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 17:47

Dieser Schuss ging offenbar hinten hinaus. Da gab es auf dem Weg zum gesunden Kinderwachstum in England einige Behörden, die meinten es besonder gut. Wenn Süssigkeiten dick machen, sagten sie sich, dann muss man sie eben verbieten. Und so entwarfen sie Regelungen, nach denen der Konsum von Schokolade, Kuchen und Zuckerschleckereien in Horten, KiTas, Kindergärten total verboten waren… sogar dann, wenn eins der Kinder Geburtstag hattte.

Das Ganze war als Testlauf gedacht, der Ende Mai von der Uni ausgewertet werden soll. Aber die Reaktionen waren sehr kritisch. Wer den Kindern gar keine Süssigkeiten erlaube, der vergälle ihnen ihre ganze Kindheit. Und ein totales Verbot könnte eher kontraproduktiv wirken, denn die Kinder sollten ja lernen, vernünftig und massvoll mit den Lebensmitteln umzugehen. Wenn man sie von einzelnen völlig ausschloss, so würden sie dies wohl nur andernorts kompensieren – und dabei ins Unmass verfallen.

Wenn ich mich an unsere eigene Kindheit erinnere: Da waren Schleckerein absolute Mangelware. Es gab sie zu Weihnachten, knapp etwas an Ostern, und gelegentlich, wenn wir bei der Gotte zu Besuch waren. Und es stimmt, durch diesen Quasi-Entzug hatten wir keinen bewussten und verantwortungsvollen Umgang erlernen können. Sobald wir über eigenes Taschengeld verfügten, schlugen wir zu. Und holten alles nach.




10/5  Fetter Bart

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:40

Wenn TV-Geschichten moderne Märchen sind, mit einer manchmal nur leicht versteckten Moral, dann sind die Simpsons-Filmchen eine besonders gelungene Form davon. Heute ging es um den kleinen Bart und dessen Vorliebe für Fast- und Junk-Food, das er sich an Automaten beschaffte und rund um die Uhr derart intensiv in sich hinein stopfte, dass er fett und übergewichtig wurde. Sein Hals wulstete unter dem Kinn über den Kragen, die Bauchdecke wölbte sich vor, die Hosen und die Jacke spannten, die Beine schwollen an… der Junge geriet völlig aus dem Lot und musste in ein Abspeck-Camp, wo er unter dem strengem Regime eines Ernährungs- und Bewegungs-Coaches trainieren musstte. Das stank ihm gewaltig und er sann fortwährend darüber nach, wie er ausbüxen und verbotene Speisen mampfen könnte.

Da packte der Coach seinen renitenten Schützling und fuhr mit ihm in die Stadt Springfield zurück. Beim Elternhaus angekommen musste Bart erkennen, dass seine Familie inzwischen ihr Haus in eine Absteige für deutsche Touristen umfunktioniert hatten, damit die genug Geld verdienten, um das teure Abspeck-Lager zu bezahlen. Bart war erschüttert darüber, dass sein Vater, seine Mutter und die Geschwister sich seinetwegen einschränken und erniedrigen mussten, herumkommandiert von einer arrogangten Bande anspruchsvoller Reisender. – Bart gelobte Besserung. Nie wieder in seinem ganzen Leben wolle er Fast-Food essen und kein Junkfood mehr. Er zertrümmerte und plünderte die Automaten, händigte das Geld seinen Eltern aus, diese vertrieben die lästigen Gäste.

Der Coach, der Bart zu seiner Einsicht verholfen hatte, wies darauf hin, dass der Aufenthalt im Camp bis zum Schluss im voraus bezahlt sei, so dass also für die zweite Halbzeit noch jemand mitkommen könnte, der auch abnehmen möchte… – Vater Homer wunderte sich, dass die ganze Familie ausgerechnet IHN anschaute… ging dann aber mit.

Und welche Moral lernen wir aus diesem Stück? Dass übermässiger Fast-Food-Konsum zu Adipositas führt, dass die ganze Familiengemeinschaft darunter leidet, dass alle bereit sind ein Opfer zu bringen, dass Einsicht und Umkehr möglich sind, sogar bei Erwachsenen… Nur gut, dass die Sendung, sollte sie dereinst auch auf dem Schweizer Kanal zu sehen sein, auf Wunsch des Publikumsrats mit einer Warnung für die Kinder gekennzeichnet wird… das dürfte sie genügend interessant machen, dass die Kleinen sie nicht verpassen wollen. Dann lernen sie auch etwas.




9/5  Wirb oder stirb!

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:04

So lautete mal ein Slogan der Branche, wobei sich die Aufforderung nicht an die Werber seber richtete, sondern an jene, die für ihre Produkte oder Anliegen werben (lassen) sollten. Aus der guten alten Reklame von einst hat sich ein machtvolles und differenziertes Instrumentarium entwickelt, dessen Grenzen zur Propaganda und zur Information verwaschen und fliessend sind.

Gerade im Umgang mit der Tauglichkeit von Lebensmitteln für die Gesundheit wären die Anforderungen an die Lauterkeit und die Wahrhaftigkeit der Werbung gross, aber zahlreiche Untersuchungen zeigen immer wieder, wie tief einzelne Firmen und deren propagandistische Helfershelfer in die Trickkiste greifen, um Trash-Produkte als den einzig wahren Gesundbrunnen darzustellen.

Hier wären vernünftige Richtlinien sinnvoll, verantwortungsbewusste Empfehlungen (keine Verbote) und ein wirksames Instrumentarium zur Kontrolle deren Einhaltung. Aber die Werbebranche sträubt sich mit Haut und Haaren gegen ein solches Ansinnen, und auch die Politik mag sich die Finger nicht an der sogenannten freien Meinungsbildung verbrennen. Im Zusammenhang mit diesem Dauerthema kann es interessant sein, dass dieser Tage eine Art Generationenwechsel stattgefunden hat. Der langjährige Präsident des Verbandes Schweizer Werbung, das Appenzeller Polit-Urgestein Carlo Schmid, trat von dieser Funktion zurück, und als sein Nachfolger wurde der Tessiner CVP-Ständerat Filippo Lombardi gewählt. Obwohl die uns ineressierende Thematik nicht explizit angesprochen wird, lohnt es sich, die beiden Beiträge zu lesen, die unter deren Namen verlinkt sind. Lombardi ist ein alter Weggefährte von mir aus Medien- und Militärzeiten. Vielleicht schafft dies Voraussetzungen für einen konsruktiven Dialog.




8/5  Kinderplagen

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 11:01

Ich selber hatte Glück. Als Kind war ich eher dünn, unsportlich und etwas schüchtern. Ich kam eigentlich überall durch, ohne anzuecken. Ab und zu war ich frech, dann gab es Haue.

Übergewichtige und dicke Kinder haben es schwerer. Es ist zwar hinlänglich bekannt, dass diese vielfältigen Neckereien und Hänseleien ausgesetzt sind, dass dies a ber einer Gesetzmässigkeit entspricht, wurde jetzt durch eine Studie erhärtet, die in der Zeitschrift der amerikanischen Kinderärzte eerschienen ist. An die 900 Buben und Mädchen wurden befragt, ebenso deren Eltern, Lehrer und Betreuer, und es zeigte sich, dass ein direkter Zusammenhang besteht zwischen dem Körpergewicht und dem Ausmass der jeweiligen Plagerei. Und zwar unabhängig vom Alter, vom Geschlecht und vom soziokulturellen Hintergrund.

Ob es nötig sei, gegen dieses Phänomen besondere Massnahmen zu entwickeln, das müsse noch studiert werden, folgern die Forscher. Darwinisten können anmerken, das sei eine gute Lebensschule, das härte ab für den späteren Existenzkampf und wer sich unter solchen Umständen behaupten könne, der sei gerüstet für die Auseinandersetzungen in seinem weiteren Leben…

Das scheint mir allerdings ein bescheidener Trost, wenn man mitten drin steckt.




7/5  Herz-Check

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 18:24

Heute schlug eine Stunde der Wahrheit: Weil sich infolge meiner geringen körperlichen Aktivität wieder ein Kilo nach dem andern angeschlichen hatte, sind wir nun dabei, zu klären, was sich dagegen unternehmen lässt. Um sicher zu sein, dass allfällige Aktionen nicht mit meinem Herz in Konflikt geraten können, das seit dem Infarkt vor nunmehr drei Jahren nach wie vor in Mitleidenschaft gezogen ist, ging es heute darum, mich in einem spezislisierten Herz-Zenrum untersuchen zu lassen. Das Prozedere kannte ich von früher schon. Zuerst ein EKG, dann das Gespräch mit dem Arzt. Auf dem Papier sieht alle gut aus, keine ungewöhnlichen Erscheinungen, Situation unverändert. Dann geht es ins Belastungs-EKG, auf den Hometrainer, mit 90 Umdrehungen losgestrampelt, bei zunehmender Leistung (am Schluss bis 140). Und laufende Bludruck-Messungen. Auch hier ist alles im grünen Bereich. Zuletzt noch die Ultraschall-Durchleuchtung: Auch hier sei alles gut, kein Grund zur Besorgnis, so gut es eben sein kann, drei Jahre danach. Jetzt noch Blut abgezapft für die spätere Analyse. Aber der Prima-Vista-Befund ist prima.

Ok, am Herzen kann es also nicht liegen, dass ich mich so schlapp fühle, dass ich nach wenigen Schritten innehalten muss um Luft zu holen, dass ich mich oft antriebslos fühle und am liebsten den ganzen Tag auf der faaulen Haut liegen würde… Klar, ich habe wieder zugenommen. Es ist, als würde ein normaler Mensch dauernd einen Kartoffelsack von 80 Kilo Gewicht mit sich herumtragen. Den möchte ich sehen, der da noch fröhliche Sprünge macht! Auch der möchte seine Last so oft wie möglich absetzen können, möchte den Sack lieber in einem Wagen transportieren als ihn zu Fuss durch die Landschaft schleppen – und allenfalls noch bergauf! Das kann ich mir zugute halten. Aber vom Herzen her spricht jetzt nichts mehr dagegen, beherzt einen neuen Versuch zu wagen.




6/5  Anti-Diät-Tag

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:07

Der war heute wieder mal, der 6. Mai, als internationaler Anti-Diät-Tag. Er bot den Anlass, dass ich von Radio Basel, dem jungen Sender mit dem alten Namen, zu einem Live-Gespräch eingeladen wurde, zu Themen rund ums Übergewicht und um Diäten.

Nun ist dieser Tag ja seinerzeit nicht ins Leben gerufen worden, um auf die gesundheitlichen Gefahren von einseitigen und extremen Diäten aufmerksam zu machen, sondern im Gegenteil: Es sollte ein Zeichen gesetzt werden von Leuten, die sich zu ihrem Übergewicht bekannten und nicht daran dachten, durch eine wie auch immer geartete Ernährungsumstellung abzunehmen.

Die ganze Schlankheits-Hysterie – hiess es – sei medizinisch nicht zu begründen, wer etwas Fett auf den Rippen habe, sei gesünder als ein magerer Hungerhaken und würde deshalb auch nicht weniger lange leben. Diese Aussage ist ja nun inzwischen unbestritten für die Kagtegorie BMI 25 bis 28, sofern die Betroffenen sich vernünftig ausgewogen ernähren und sich mit viel Bewegung fit halten. Tun sie dies, so sind sie besser dran als Leute mit Normalgewicht, die faul herumhängen, kiffen und nicht auf gesundes Essen achten. Was ich aber keinem Anti-Abnehm-Propagandisten glaube: Dass er sich wirklich und wahrhaftig wohl fühlt in seinem überdimensionierten Fettgehäuse, wenn er mal die BMI-Grenze von 40 überschritten hat. Wenn man „jung“ ist (bis Mitte dreissig) mag das noch angehen. Aber nach vierzig kommen die ersten Verschleiss-Erscheinungen in den Gelenken (viele überdicke Kids haben das heute schon mit 12!), man schwitzt und schläft schlecht, in den Hautfalten bilden sich stinkende Feuchtgebiete… wer dann noch sagt, er habe kein Gewichtsproblem, der lügt brandschwarz.

Drum finde ich es gut, dass der Anti-Diät-Tag inzwischen eine andere Bedeutung bekommen hat, dass man offen über die Probleme sprechen kann und dass die Gefahr erkannt wird, die in extremen Diäten und Kuren lauert.




5/5  Dazugehören

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 16:53

Wer mit dem Zug nach Zürich kommt, aufs Perron aussteigt und dann nach vorne in Richtung der grossen Halle geht, der sieht von weitem an der hohen Wand das riesige Plakat. In hellem freundlichem Blau und Rot der vertraute Schriftzug: eBalance.

Darunter die Bilder der erfolgreichsten eBalance-AktivistInnen aller Zeiten und der stolze Slogan, dass es sich um das erfolgreichste Online-Abnehm-Portal der Schweiz handelt. Bei diesem Anblick befällt mich ein akutes Zugehörigkeitsgefühl. Seit 5 Jahren schreibe ich fast täglich einen Beitrag für diesen Blog, über 1’600 sind es inzwischen geworden, das gäbe ein ganz schönes Büchlein, wobei natürlich nicht alles in gleicher Weise bedeutsam ist.

Anfänglich hätte ich auch gar nicht gedacht, dass es so viele thematische Bezüge gibt zwischen unserem Alltag und der Übergewichts-Problematik. Aber es ist tatsächlich so: Das Thema ist weltweit und permanent präsent, es gibt kaum einen Aspekt des täglichen Lebens, der nicht irgendwie mit unserem Essen, dem Aussehen, den sozialen Beziehungen und der Gesundheit zu tun hat. Dass ich dieses Projekt mit meinen Betrachtungen begleiten darf, macht Spass und gibt Befriedigung. Auch wenn ich selber mich nicht auf der Ehrentafel der erfolgreichen eBalance-User einschreiben könnte, so freue ich mich doch, dabei zu sein. Und diese Freude gibt mir direkt Schwung, wenn ich an dem Plakat vorbei mit etwas beschwingteren Schritten durch die Bahnhofshalle gehe.




4/5  MOSEB

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 19:13

Es ist weder ein Druckfehler noch eine Figur aus dem Alten Testament, sondern ein Akronym. Ein Kunstwort, das aus den Anfangsbuchstaben anderer Wörter zusammengesetzt ist. In diesem Fall steht es für MOnitoring System Ernährung und Bewegung. Und verwaltet wird es vom Bundesamt für Gesundheit BAG.

Unter der Internet-Adresse www.moseb.ch sind erstmals alle einschlägigen Daten und Berichte zur komplexen Thematik von Übergewicht, Adipositas, Ernährung und Bewegung abrufbar. Früher musste man diese Angaben mühsam bei verschiedenen Institutionen erfragen, Wälzer studierfen, Artikel auswerten… Die Datensammlung ist überdies kompatibel mit entsprechenden Datenbanken anderer internationaler Gesundheitsorganisationen, so dass die Werte vergleichbar werden.

Im Moment sind bereits bestehende Daten erfasst und zugänglich. In Zukunft werden diese ergänzt durch aktuelle neue Studien, mit denen Entwicklungen und Veränderungen sichtbar gemacht werden können. Wer sich über die Situation in der Schweiz informieren möchte, ist bei MOSEB an der richtigen Adresse. Abgenommen hat man dadurch zwar noch nicht. Aber man weiss dann, mit wie vielen Schicksalgenossen man sich darein teilen kann.




3/5  Schokodepression

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 14:21

Über tausend Personen wurden untersucht: Ein Drittel davon Frauen, zwei Drittel Männer. Es ging um den Zusammenhang zwischen Depressionen und Schokolade-Konsum. Das war mal was Neues. Denn gemeinhin sind ja alle überzeugt davon, dass Schokolade glücklich macht. Das Glückshormon Serotonin wird nach dem Verzehr von Schokolade ausgeschüttet und das Wohlbehagen stellt sich ein.

Nun hat aber das Forscherteam unter der Leitung von Dr. Natahlie Rose an der Universität von Kalifornien herausgefunden, dass es einen direkten Zusammenhang gibt zwischen der Häufigkeit von Depressionen und dem Konsum von Schokolade. Leute, die nicht depressiv waren, assen nur halb so viel Schokolade wie die Depressiven, und je ausgeprägter die Depressionen waren, umso mehr Schokolade wurde verzehrt…

Jetzt stellt sich natürlich sofort die Frage nach dem Huhn und dem Ei: Greifen die Leute zur süssen Speise, WEIL sie depressiv sind? Oder ist es das Naschwerk, das sie in die Depression treibt? Sind sie süchtig nach Süssem – und werden deshalb depressiv? – Die Studie gibt auf diese Fragen keine Antwort. Sie hat nur festgestellt, DASS, aber nicht, WESHALB. Dies müsse – heisst es – Gegenstand weiterer Studien sein.

Mir kommt die Sache etwas unvertraut vor. Ich habe persönlich keinen Moment das Gefühl, auch nur im Entferntesten an Depressionen zu leiden… und doch könnte ich den ganzen Tag Schokolade essen – mit verheerenden folgen! An sich würde es einleuchten, dass Leute, die depressiv und traurig sind, instinktiv zur Kakao-Droge greifen, um ihre Gefühlslage aufzuheitern… und wenn sie deswegen dann zunehmen, besteht die Gefahr, dass sie in Verzweiflung zurückfallen und wieder Zuflucht beim Glücklichmacher suchen… ein Teufelskreis!




2/5  Lob der Burka?

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:38

Plötzlich ist sie in aller Munde und es wird nach Verboten gerufen, wo sie noch nicht beschlossen sind: Die Burka, die blaue mit dem gewobenen Netz vor dem Gesichtsfeld. Oder die Nikab, die Frauen-Bedeckung mit dem Sehschlitz.

Ich habe beide Formen im Ausland angetroffen und es gab glaubwürdige Aussagen, dass die völlige Verhüllung des weiblichen Körpers durchaus für die Trägerin Schutz und Geborgenheit bedeuten kann. Ich war damals mit einer Kollegin in Afghanistan unterwegs und sie hatte sich vorgenommen, wenn wir dort wären, würde sie sich auf keinen Fall dem Diktat der Kopfbedeckung unterwerfen und stolz zeigen, dass sie eine emanzipierte westliche Frau sei… Aber wir sind nur kurz mit dem Jeep unterwegs gewesen, da kamen wir schon in eine Srassensperre mit Kontrolle, weil irgendwo ein Regierungsfahrzeug auf der Strecke war… und als sich mit finsteren Gesichtern zwei afghanische Ordnungshüter näherten, griff sich meine Begleiterin rasch ihren Schal, zog ihn über den Kopf und hielt ihn unter dem Kinn zu.

Ein kurzer Wortwechsel mit unserem Fahrer und wir rollten weiter. Aber meine Begleitung sagte mir später, sie hätte richtig Angst gehabt und sich unter dem Tuch viel besser gefühlt. Das subjektive Empfinden hat also – je nach der Wirkung des Umfeldes – eine andere Bedeutung als der objektivierte Sachverhalt es vermuten lässt. Es kommt noch ein weiteres Faktum dazu: Die Ganzkörperverhüllung befreit vom modischen Diktat und vom Zwang zu einer idealen Figur. Weit wallend – als wäre sie von Christa Carouge erfunden worden – umfliesst sie die äusseren Konturen des Körpers, engt nirgends ein, zwickt nicht, hängt weit aussen herunter und verrät weder fehlende Taille noch Hüftspeck…

Dies alles macht mich noch lange nicht zum Fan eines verhüllten Gesichtes. Denn es gehört zum Wesen unserer freien, aufgeklärten Kultur, dass wir offen in die Welt schauen können, dass wir vor keiner Autorität die Augen niederschlgen müssen in Demut und Scham, dass wir uns selbstbewusst zeigen dürfen, so wie wir sind. Und froh, dass wir nicht in einer Welt leben, in der man sich ohne Verhüllung fürchten muss.